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Die Schatten von Belfast

Die Schatten von Belfast

Titel: Die Schatten von Belfast
Autoren: Stuart Neville
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er das Mädchen, während McGinty schon oben in der Dunkelheit verschwand.
    Während er noch versuchte, das Gleichgewicht wiederzufinden, klammerte Ellen sich schon mit den Armen um seinen Hals und mit den Beinen um seine Hüfte. »Gerry«, jammerte sie, »bring mich nach Hause.«
    »Alles in Ordnung«, beruhigte er sie. »Ich hab dich ja.«
    Sie vergrub ihr Gesicht an seiner Schulter. Der süße Geruch ihres Haars stieg ihm in den Kopf und schnitt ihm ins Herz.
    »Du hast dich ja geschnitten«, sagte sie, »Ist nicht so schlimm. Wo ist deine Mutter?«
    »Tut das weh?«
    »Nein, mein Schatz.« Fegan stieg die letzten Stufen bis zum oberen Treppenabsatz empor und behielt dabei die Schatten im Auge, die McGinty gefolgt waren. »Wo ist deine Mummy?«
    Ellen sah auf die Tür rechts von ihnen. McGinty war in die entgegengesetzte Richtung geflohen. Fegan machte auf und warf noch einen raschen Blick zurück auf die Schatten, dann huschte er hinein und schloss die Tür hinter sich.
    Mitten im Zimmer lag auf dem Boden eine Matratze und darauf ausgestreckt Marie McKenna. Ihr Mund stand offen, die Augenlider zuckten.
    Fegan trug Ellen zur Matratze und setzte sie neben ihrer Mutter ab. Blinzelnd schlug Marie die Augen auf. Ihre Pupillen waren geweitet, der Blick verwirrt.
    »Gerry?«
    Fegan kniete sich über sie. »Alles ist in Ordnung. Du bist in Sicherheit.«
    »In Sicherheit«, wiederholte sie. Dann flatterten ihre Augenlider wieder und fielen zu. Fegan strich Ellen übers Haar, einige Strähnen färbten sich rot.
    »Du wartest hier bei deiner Mummy, bis ich wiederkomme und euch hole. Egal, was du hörst, komm nicht raus. In Ordnung?«
    Sie nickte und ließ seine Jacke los.
    »Braves Mädchen.« Fegan strich ihr über die Wange. Sie legte sich hin und legte ihr Köpfchen auf die Brust ihrer Mutter. Er stand auf und ging zur Tür. Dort drehte er sich noch einmal um. »Denk dran, immer schön bei deiner Mummy bleiben, egal, was du hörst.«
    Fegan spähte durch den Spalt in der Tür und schob sie dann sachte auf. Der Flur war leer. Er öffnete die Tür ganz, huschte hinaus und schloss sie wieder. Es gab noch zwei weitere Türen, eine direkt an der Treppe nach hinten hinaus, die andere vor ihm am Ende des Flures. Beide waren geschlossen.
    Fegan hob die Walther und schlich ganz langsam weiter. Er atmete flach und horchte. Die Verfolger blieben dicht hinter ihm. Mit zwei Schritten war er am oberen Treppenabsatz, mit drei weiteren bei der Tür dahinter. Er legte sein Ohr daran. Nur tropfendes Wasser. Der Türknauf glitschte unter seinen blutigen Fingern. Umständlich versuchte Fegan, mit der geschwächten Linken das Messing zu umklammern. Er drehte den Knauf, stemmte sich gegen die Tür und hob die Walther.
    Die Tür schwang auf und krachte gegen die Wand. Lockere Kacheln zerschellten auf dem Fußboden. Fegan zog eine Grimasse angesichts des Lärms. Das Zimmer beherbergte eine alte Badewanne mit geschwungenen Beinen, eine Toilette und ein Waschbecken. Auf dem Linoleumboden hatte sich eine Wasserlache gesammelt. Intensiver Modergestank drang Fegan in die Nase und legte sich auf seine Zunge.
    Kein McGinty.
    Er sah sich zur zweiten Tür um. Von drinnen hörte er Geräusche, ein ganz leises Rascheln. Mit behutsamen, sachten Schritten näherte Fegan sich der Tür. Das Rascheln hörte auf. Fegan hob die Pistole, hielt den Atem an und griff nach dem Türknauf.
    In einem schnellen Bewegungsablauf drehte Fegan den Knauf, drückte die Tür auf, ging auf die Knie und zielte. Im nächsten Moment explodierte der Türrahmen, und verrottete Holzsplitter regneten hinab. Fegan fiel nach hinten und landete auf der verletzten Schulter. Ohne auf die Schmerzen zu achten, rollte er sich hoch und ging in die Hocke. Das Zimmer lag im Dunkeln, er hatte kaum das Mündungsfeuer von drinnen erkennen können.
    Die Frau und der Metzger traten vor. Beide sahen Fegan an und stachen mit dem Finger in Richtung Zimmer. Da drin war McGinty und verbarg sich in der undurchdringlichen Finsternis.
    »Er hat keine Munition mehr«, sagte Fegan.
    Die Frau nickte lächelnd und wiegte ihr Kind.
    Fegan richtete sich auf und näherte sich langsam der Tür. Seine Augen suchten in der Dunkelheit, fanden aber nur graue und schwarze Umrisse. Er hob die Walther in seiner Rechten und versuchte zur Unterstützung die Linke darüberzulegen, aber sie war zu schwer. Seine linke Schulter pochte und fühlte sich höllisch heiß an. Wieder spürte er, wie etwas Warmes ihm über die Rippen
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