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Die Schatten von Belfast

Die Schatten von Belfast

Titel: Die Schatten von Belfast
Autoren: Stuart Neville
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beantwortet, Gerry.«
    Fegan stand auf und zuckte sofort zusammen, doch dann ignorierte er das Pochen in seiner linken Schulter. Sein Arm wurde von Minute zu Minute schwerer, und seine Beine zitterten. Allmählich gewann die Erschöpfung die Oberhand über seine Kraft. Die Sache musste bald ein Ende finden.
    »Du hast nur noch eine Kugel übrig«, rief er.
    »Eine reicht«, rief McGinty zurück.
    »Nicht, wenn du mich damit nicht erledigst.«
    »Die ist nicht für dich. Die ist für sie.«
    Fegan sah den Schatten an der Wand. Die Umrisse wurden im zunehmenden Licht klarer und schärfer. Er konnte schon sehen, dass McGinty sich jetzt hingehockt hatte und Ellen an sich gepresst hielt. Wo war die Waffe?
    Er sah die Frau an. »Herrgott, wo ist die Waffe?«
    Sie hatte keine Antwort für ihn, sondern zielte nur unverwandt mit den Fingern auf McGinty.
    Der Schatten des Politikers kroch über die Wand.
    »Komm doch und sieh selbst nach, Gerry.«

Fegan schob sich vorsichtig bis zum Türrahmen vor und lehnte sich ein wenig hinaus. Er sah das Fenster am oberen Ende der Treppe. Darunter kauerte McGinty und hielt Ellen vor sich. Der Revolver befand sich hinter ihrem Kopf, wo sie ihn nicht sehen konnte.
    »Gerry«, schluchzte sie. »Ich will nach Hause.«
    »Bald, mein Schatz. Du und deine Mummy und ich. Wir drei gehen alle zusammen nach Hause. Versprochen.«
    McGinty stieß ein hohes, weibisches Kichern aus. »Du hast mir nicht geantwortet, Gerry. Was kommt dann?«
    Fegan trat auf den Flur hinaus. Er hatte die Waffe gesenkt und hinter seinem Körper verborgen, damit Ellen sie nicht sah.
    »Ich weiß es nicht«, sagte er.
    »Glaubst du, du kannst einfach nach Hause gehen und mit Marie McKenna glückliche Familie spielen? Glaubst du, du kannst dem kleinen Mädchen ein Vater sein? Glaubst du, Marie will noch irgendetwas mit dir zu tun haben, da sie jetzt weiß, was du getan hast?«
    Die Frau und der Metzger traten beiseite, und Fegan stieg auf die unterste Stufe. »Ich weiß es nicht.«
    McGintys Hand zitterte. Die fahlen Strahlen des frühen Morgenlichts glitzerten auf der Mündung des Revolvers. »Du weißt es nicht«, sagte er. »Es gibt eine ganze Menge, was du nicht weißt.«
    McGinty lächelte, Schweiß glänzte auf seiner Oberlippe. »Zum Beispiel weißt du nicht, dass Marie mich damals angerufen hat, als sie spitzgekriegt hatte, dass der Cop sie betrog. Und auch nicht, dass ich in jener Nacht zu ihr gefahren bin und sie mich ins Bett gezerrt hat. Sie hat es nur gemacht, um es ihm heimzuzahlen, und genauso hat sie jetzt dich benutzt, um es mir heimzuzahlen.« Fegan stieg zwei weitere Stufen hinauf.
    McGinty presste seine Lippen auf Ellens Haar. »Sie hat mir auch nie gesagt, ob das Kind von mir war. Keinen Schritt weiter. «
    Fegan erstarrte. Seine blutige Hand lag auf dem Geländer, der rechte Fuß war zwei Stufen über dem linken. Die Walther hielt er gegen den Oberschenkel gedrückt.
    McGintys Blick glitt in die Ferne. »Ich habe sie gefragt, aber sie wollte es mir nicht sagen.«
    Fegan hob den linken Fuß auf Höhe des rechten. Seine vom Blut glitschigen Finger rutschten über das glatte Geländer. »Ich will nicht, dass sie das sieht«, sagte er. »Und du auch nicht.«
    »Lass mich einfach gehen, Gerry.«
    »Das kann ich nicht. Wo ist Marie?«
    McGinty nickte zur Seite hin, auf irgendetwas außerhalb von Fegans Blickfeld. »Sie ist da drin. Bill hat sie außer Gefecht gesetzt. Lass mich gehen, Gerry.«
    Fegan stieg noch eine Stufe hinauf. »Geht es ihr gut?«
    »Ihr fehlt nichts. Sie schläft nur. Lass mich gehen. Bitte.«
    Und noch eine Stufe. »Nein, Paul, das kann ich nicht. Lass Ellen zu ihrer Mutter.«
    »Ich nehme sie mit.«
    Und noch eine. »Nein, das machst du nicht.«
    McGinty seufzte und hob resignierend die Schultern. »Meine Güte, Gerry, ich bitte dich. Lass mich gehen. Ich flehe dich an. Zwing mich nicht, das … zu tun.«
    Noch eine Stufe. »Du wirst ihr nichts tun«, sagte Fegan. »Lass sie zu Marie.«
    McGintys blaue Augen funkelten. Fegan starrte in sie hinein und nahm noch eine Stufe. McGinty atmete flach und wimmerte. Er blinzelte, Schweiß war ihm in die Augen gelaufen, seine Oberlippe zitterte.
    Dann stieß er das Mädchen weg.

Ellen prallte auf Fegans Brust, und er taumelte zurück. Mit der linken Hand hielt er sich am Geländer fest, damit sie nicht beide die Treppe hinunterstürzten. Bei dem Ruck in seiner verletzten Schulter loderte ein glühender Schmerz auf. Mit dem gesunden Arm umklammerte
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