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Die Schandmaske

Die Schandmaske

Titel: Die Schandmaske
Autoren: Minette Walters
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bedrängt hat?« fragte Cooper nach einer kleinen Pause.
    Duncan zuckte die Achseln. »Jack Blakeney, der Mann ihrer Ärztin, war sehr viel da. Aber von ihm fühlte sie sich nicht bedrängt. Sie hat ihn gemocht. Ich habe sie manchmal mit ihm im Garten lachen gehört.« Er schwieg nachdenklich. »Sie hatte sehr wenige Freunde, Sergeant. Wie Violet schon sagte, man hatte es nicht leicht mit ihr. Entweder man mochte sie oder man verabscheute sie. Das werden Sie bald erfahren, wenn Sie vorhaben, noch andere zu befragen.«
    »Und Sie haben sie gemocht?«
    Seine Augen wurden pl ötzlich feucht. »Ja«, sagte er kurz. »Sie war früher einmal eine schöne Frau, eine sehr schöne Frau.« Er tätschelte seiner Frau die Hand. »Wir waren alle einmal schön, vor langer, langer Zeit. Das Alter bietet wenig zur Entschädigung, Sergeant, außer vielleicht der Weisheit, Zufriedenheit zu erkennen und anzunehmen«. Er versank ein Weilchen in Gedanken. »Es heißt ja immer, sich die Pulsadern aufzuschneiden sei eine friedvolle Art, in den Tod zu gehen. Ich kann mir allerdings kaum vorstellen, woher jemand das wissen will. Was glauben Sie, hat sie gelitten?«
    »Die Frage kann ich leider nicht beantworten, Mr. Orloff«, sagte Cooper aufrichtig.
    Der Blick der tr änenfeuchten Augen begegnete einen Moment dem seinen, und er sah eine tiefe, verstörte Traurigkeit in ihnen. Sie sprachen von einer Liebe, die, so ahnte Cooper irgendwie, Duncan Orloff für seine Frau nie empfunden hatte. Er wollte etwas Tröstliches sagen, aber was hätte er sagen können, das nicht alles noch schlimmer gemacht hätte? Er bezweifelte, dass Violet Bescheid wusste, und nicht zum erstenmal fragte er sich, warum Liebe viel häufiger grausam als gütig war.
    Ich habe Duncan heute Nachmittag beobachtet, wie er die Hecke geschnitten hat, und konnte mich kaum an den gutaussehenden Mann erinnern, der er einmal war. W äre ich eine barmherzige Frau gewesen, so hätte ich ihn vor vierzig Jahren geheiratet und ihn vor sich selbst und Violet gerettet. Sie hat aus meinem Romeo einen Falstaff mit Trauerblick gemacht, der blinzelnd seine Leidenschaft bekennt, wenn niemand schaut. Ach, schmölze doch sein allzu festes Fleisch. Mit Zwanzig hatte er den Körper von Michelangelos David, jetzt gleicht er einer ganzen Familiengruppe von Henry Moore.
    Jack entz ückt mich immer wieder. Wie jammerschade, dass ich ihm oder einem wie ihm nicht begegnet bin, »als mein Verstand noch grün«. Ich lernte lediglich überleben; Jack hätte mich, denke ich, lieben gelehrt. Ich habe ihn gefragt, warum er und Sarah keine Kinder haben, und er antwortete: »Weil ich nie den Drang hatte, Gott zu spielen.« Ich sagte ihm, an der Fortpflanzung sei nichts Göttliches, und es sei eine unerhörte Arroganz von ihm, derart über Sarahs Tauglichkeit als Mutter zu bestimmen. »Der Pfarrer würde sagen, Sie spielen den Teufel, Jack. Die Art wird nicht überleben, wenn nicht Menschen wie Sie sich fortpflanzen.« Aber er ist kein gefügiger Mann. Wenn er es wäre, würde er mir weit weniger gefallen. »Sie spielen seit Jahren Gott, Mathilda. Hat Ihnen das auch nur das geringste Vergnügen bereitet oder Sie zufrieden gemacht?«
    Nein, und das kann ich ehrlich sagen. Ich werde so nackt sterben wie ich geboren wurde ...

2
    Eine Woche sp äter stellte die Sprechstundenhilfe einen Anruf zu Sarah durch. »Ein Sergeant Cooper möchte Sie sprechen. Ich habe ihm gesagt, dass Sie gerade eine Patientin da haben, aber er lässt sich nicht abwimmeln. Können Sie mit ihm sprechen?« Es war Montag, und Sarah machte Nachmittagsdienst in Fontwell.
    Sie sah die schwangere Frau, die wie ein Opfertier auf ihrem Untersuchungstisch lag, mit einem entschuldigenden L ächeln an und legte ihre Hand über die Sprechmuschel des Hörers. »Kann ich rasch diesen Anruf erledigen, Mrs. Graham? Er ist ziemlich wichtig. Ich verspreche Ihnen, dass ich schnell mache.«
    »Bitte, bitte. Mir tut die Ruhe gut. Die kriegt man selten, wenn man das Dritte erwartet.«
    Sarah l ächelte sie an. »Verbinden Sie mich, Jane. Ja, Sergeant, was kann ich für Sie tun?«
    »Wir haben jetzt die Ergebnisse der Obduktion von Mrs. Gillespie. Es würde mich interessieren, was Sie davon halten.«
    »Ja?«
    Sie h örte, wie er mit irgendwelchen Papieren raschelte. »Unmittelbare Todesursache: Blutverlust. Man hat Spuren von Barbituraten in ihrem Körper gefunden, aber nicht ausreichend, um tödlich zu wirken. Auch in dem Whiskyglas wurden Spuren gefunden, was
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