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Die Sau und der Mörder

Die Sau und der Mörder

Titel: Die Sau und der Mörder
Autoren: Martin Springenberg/Michael Bresser
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ließ und den Stummen mimte.
    »Sie waren die Freundin des Verstorbenen ?« , startete ich die Befragung.
    »Na ja, was man so Freundin nennt, Meister« — mein Gott, war das Lispeln süß —, »der Hermann war schon ein cooler Typ, und wir sind ein paar Mal in die Federn gehüpft. Wir haben uns bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung im Dülmener Hospital kennengelernt, wo ich als Krankenschwester arbeite. Hermann hat einige Gedichte abgelassen und seine Romane signiert«, blickte sie in die Ferne. »Zufällig haben wir uns beim Schützenfest wiedergesehen, und seitdem lief da was .«
    »Wann haben Sie Herrn Grutz das letzte Mal gesehen ?« , wollte ich Cornelias Redefluss ausnutzen.
    »Am Tag seines Todes. Ich hatte bei ihm gepennt .«
    »Um welche Zeit haben Sie die Wohnung verlassen ?«
    »Kurz vor acht. Ich musste zum Dienst, obwohl ich kaum krauchen konnte«, zwinkerte sie mir zu, »Sie wissen schon .« Nee, auch meine Vorstellungskraft hatte Grenzen.
    »Jetzt habe ich aber auch eine Frage«, lispelte sie fort: »Wie kommen Sie darauf, dass es kein Selbstmord war ?«
    »Mein Klient geht davon aus. Er kannte Hermann als lebenslustigen Menschen. Ist es für Sie denn plausibel, dass Herr Grutz Selbstmord begangen hat ?«
    »Nie im Leben. Ich war völlig geschockt. Als ich bei Hermann weg bin, wollte er grad das letzte Kapitel zu Ende schreiben. Abends wollten wir dann einen draufmachen. War ein cooler Typ«, kullerte eine Träne die Wange herunter.
    »Kennen Sie denn den neuen Roman schon ?«
    »Nein. Er hat seine Bücher immer erst komplett geschrieben, bevor ich drüberlesen durfte .«
    »Kommen wir noch mal auf den besagten Tag zurück. Sie haben Herrn Grutz gegen acht verlassen und sind anschließend zum Krankenhaus gefahren ?«
    »Das hat sie Ihnen doch bereits erzählt, Sie Schwachkopf !« , hatte der Alte offensichtlich aufmerksam zugehört.
    »Herr Lienen. Wenn ich Fragen an Sie habe, werde ich es Sie wissen lassen. Bis dahin halten Sie Ihren Mund .« Irgendwann war Schluss mit lustig.
    »Das ist eine Unverschämtheit! Cornelia, du erlaubst diesem Schnüffler, mich derart zu beleidigen? Schick ihn zum Teufel !« Wieder eine Hustenattacke.
    »Ist besser, Sie verziehen sich jetzt. Wenn Sie nichts dagegen haben, bin ich heute um acht bei Ihnen, dann können wir weiterquatschen, okay ?« , knuffte sie mich in die Seite.
    Das war durchaus okay. Wenn es sich tatsächlich um Uschi Obermaiers Tochter handelte, musste sie sich auf meinem Kotten pudelwohl fühlen, auch wenn ich keinen VW-Bus besaß. Ich gab ihr meine Visitenkarte, dann sah ich zu, dass ich neutrales Terrain erreichte.

3

    D as Münsterland zeigte sich von seiner schönsten Seite. Kaum aus den mehligen Nebelschwaden des Morgens geschält, offenbarte sich ein bernsteinfarbener Mittag. Das ließ einen abenteuerlich bunten Nachmittag gefolgt von einem wohlig dunklen Abend erhoffen.
    In Dülmen steuerte ich das Büchereck an, die größere der beiden Buchhandlungen. In der Auslage schliefen die neuesten Münsterlandkrimis in der stillen Sehnsucht, einen harmlosen Kick ins Bürgerleben bringen zu dürfen. Mich beschlich der Eindruck, dass hinter jeder Kuh ein Killer lauerte, der mit Fladengeschossen die Spießerexistenzen zurück in die Anarchie ballern wollte. Das Geheimnis von Appelhuisen, Der Henker von Hörstel oder Guido und die achtzehnte Generation — ein Emsdettenkrimi versprachen Lesegenuss, der mir wohlige Gefühlsschauer das Rückgrat hinunterjagte. Ganz große Spannungsdramaturgie.
    Als beim Offnen der Eingangstür eine Klingel schrillte, schneckte eine etwa fünfzigjährige Verkäuferin aus der Kinderbuchecke in meine Richtung los. Mir kam es jedenfalls vor, als ob ihr Tempo sich unterhalb der Zweistundenmetermarke bewegte. Nach drei gefühlten Mondzyklen stand sie vor mir. Ihre buschigen Augenbrauen grenzten das kugelrunde Gesicht zur Prinzessin-Eisenherz-Frisur ab. Das mit weißen Nelken verzierte Kleid stammte aus Ommas Mottenkiste. Trotzdem nicht unsympathisch.
    »Kann ich Ihnen helfen ?« , eierte sie nach etlichen Bedenkminuten heraus. Naja, ich hätte für einen so originellen Spruch ähnlich lange gebraucht.
    »Ich möchte einen Roman von Hermann Grutz. Haben Sie da was auf Lager ?« , hoffte ich, sie nicht durch rhetorische Rasanz zu überfordern.
    »Wir führen nur seine Gedichtsbände, glaube ich. Nein, dass er auch Romane geschrieben hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Nein, also richtige Romane...«
    »Schwesterherz, die hat
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