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Die Sanddornkönigin

Die Sanddornkönigin

Titel: Die Sanddornkönigin
Autoren: Sandra Lüpkes
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hatte ihre Selbstzweifel in der letzten Nacht weggeküsst, hatte Wencke den Fall in die Hände gelegt, damit sie ihren Kollegen zeigen konnte, was in ihr steckte.
    »Chef, wir müssen uns sputen, die Teller kommen wieder rein.«
    Seine Hände arbeiteten wie von selbst, er schmeckte kaum etwas, als er den kleinen Löffel zum Mund führte. Es konnte gut sein, eine Sauce, der man ganz neue liebevolle Adjektive zusprechen wollte, es konnte aber auch schmecken wie ein alter Hering aus dem Eimer. Er war nicht in der Lage, einen Unterschied zu schmecken. Doch er ließ es sich nicht anmerken, nickte und schob dem Küchenhelfer den Topf hinüber. Es war egal.
    Dann blickte er auf. Thore Felten stand vor ihm. Warum saß er nicht bei den anderen?
    »Du bist ein guter Junge, Fokke.«
    »Warum sagst du mir das ausgerechnet jetzt? Ich habe absolut keine Zeit für Sentimentalitäten, schon gar nicht auf welche aus deinem Mund.«
    Doch Thores Gesichtsausdruck blieb unverändert, es schien eine Mischung aus Zufriedenheit und Wehmut zu sein. Hatte Wencke ihren Verdacht bereits allen mitgeteilt?
    »Ich wollte es dir nur sagen. Deine Kunst wird unser Haus in die Richtung bringen, die wir beide uns immer gewünscht haben. Lass uns gemeinsame Sache machen, Fokke, ab heute bist du meine zweite Hand.« Mit einem Lächeln im Gesicht ging sein Stiefvater fort.
    Fokke konnte sich keinen Reim darauf machen. Er spürte nur eine Übelkeit in sich aufsteigen, die es ihm unmöglich machte, weiterzuarbeiten. Es würde kein Dessert geben. Er sah, wie Felten hinausging. Gleich würde er wieder auf der Bühne stehen und sich räuspern und ein großkotziger Gastgeber sein. Fokke wusste, gleich war es so weit. Auch ohne Wencke Tydmers wollte er den Weg zu Ende gehen und seinen Stiefvater vernichten. Er legte den Kochlöffel zur Seite und folgte Felten aus der Küche. Es würde kein Dessert geben.

Dessert
    S anders hörte so gut wie nie auf seine innere Stimme. Doch er wurde das hartnäckige Gefühl nicht los, dass etwas außer Kontrolle geriet. Irgendetwas schien hinter seinem Rücken vorzugehen. Er konnte nicht sagen, was es war, doch seine innere Unruhe hielt ihn nicht länger in der Abwartehaltung, in die er sich eigentlich begeben wollte.
    Es war nicht ihre Art fernzubleiben, wenn es drauf ankam. Wencke Tydmers hatte so viel Enthusiasmus an den Tag gelegt, warum sollte sie ausgerechnet jetzt nicht in Erscheinung treten?
    »Bleiben Sie hier, und beobachten Sie Felten. Ich werde sie suchen gehen«, sagte er zu Britzke, der etwas erwidern wollte, doch wie immer zu langsam war. Sanders hatte den Saal bereits verlassen.
    Außerhalb der Speiseräume schien das Hotel menschenleer. Sanders hatte keine Ahnung, wo er beginnen sollte, doch erschien es ihm am wahrscheinlichsten, seine Kollegin irgendwo hinter den Kulissen ausfindig zu machen. Sie hatte schon immer im Hintergrund vor sich hin gewerkelt, während er sich mit dem Offensichtlichen abgegeben hatte. Ein wenig lachhaft kam er sich schon dabei vor, einer Ahnung folgend nach einer erwachsenen Person zu suchen, doch er schob dieses Gefühl beiseite und ging die Treppe hinter der Rezeption hinab. Ein langer weißer Flur erstreckte sich vor ihm. Die meisten Türen waren verschlossen, er konnte kein Geräusch hören, und als er durch die Schlüssellöcher blickte wie ein kleiner Junge beim Detektivspielen, sah er nirgendwo ein Licht. Eine Tür am Ende des Ganges war angelehnt. Sanders öffnete den Spalt und schaute in eine dunkle Kammer, bis an die Decke stapelten sich Stoffe und Kartons, ansonsten konnte er niemanden entdecken. Er knipste das Licht an und schaute sich kurz um, gerade wollte er kehrtmachen, als er am Boden eine Ekke des orangefarbenen Stoffes ausmachte, Pailletten glitzerten im Schein der Neonröhren. Mit einem großen Schritt war er da und hob die Frau vorsichtig auf. Sie war leichenblass, getrockneter Schaum verklebte ihren Mund, und an den flimmernden Speichelresten konnte er erkennen, dass sie noch atmete.
    »Frau Felten-Cromminga, kommen Sie zu sich.« Natürlich hätte er eigentlich wissen müssen, wie man in einem solchen Fall erste Hilfe leistete, doch in diesem Moment war sein Kopf wie leer gefegt. Er hob instinktiv die Beine der Bewusstlosen an, um den Kreislauf wieder in Schwung zu bekommen, dann tätschelte er sanft die weißen Wangen der Frau.
    »Kommen Sie zu sich, bitte, Frau Felten- Cromminga, können Sie mich hören?« Auf einem Tisch über ihr stand ein Telefon, er wählte
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