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Die Salzbaronin

Die Salzbaronin

Titel: Die Salzbaronin
Autoren: Petra Durst-Benning
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machte ein paar Schritte nach vorn, den Klängen von Violinen entgegen. »Hörst du sie?« Auf Zehenspitzen stehend blickte sie in Richtung des Herrenhauses.
    Rosa schaute zu der Salinenarbeiterin hinüber. Mehr als ein Seufzen der Saiten hörte sie nicht, und schon dafür musste sie sich anstrengen. »Ja, ich höre etwas.«
    Ellen hatte ihre Augen geschlossen, ihr Leib wiegte sich zu einer stillen Melodie.
    Am liebsten hätte Rosa die Frau aus ihrer Träumerei geschüttelt. Zuerst hatte Ellen es so eilig gehabt, eine Medizin für ihr geschwollenes Handgelenk zu bekommen, und nun schien sie alle Zeit der Welt zu haben! Rosa konnte es kaum erwarten, wieder allein zu sein und weiterarbeiten zu können.
    Aus der Sicht eines Vogels lag Gut Rehbach höchstens eine halbe Meile von der kleinen Hütte am Waldrand entfernt. Würde man über die mannshohe Hecke klettern, welche den äußersten Teil des gräflichen Gartens einfasste, wäre es bis zum Herrenhaus nur ein kurzer Fußmarsch. Doch was Rosa betraf, hätte es auf dem Mond sein können! Vorsichtig pustete sie zwischen die Buchenscheite, die sie auf der runden Feuerstelle vor ihrer Hütte gestapelt hatte. Der Tag war so heiß und die Luft drückte mit derartiger Macht vom Himmel herab, dass es fast unmöglich war, ein Feuer zu entfachen. Soeben war es endlich gelungen, und Ellen stahl ihr die Zeit! »Wenn du ausgeträumt hast, darf ich mir vielleicht einmal deine Hand anschauen«, sagte sie nicht übermäßig freundlich.
    Am Tag zuvor war Sankt Veit gewesen, der Tag, an dem die Sonne am höchsten stand. Ein guter - oder der beste? - Zeitpunkt, um viele der Kräuter zu sammeln, die sie für ihre Salben, Tinkturen und Teemischungen im Laufe des Jahres brauchen würde. Jeder Winkel, jedes bisschen Platz in der Hütte war voll mit Büscheln vom Johanniskraut, der Niewelkblume und der Wolfsblume. Auch am Morgen war Rosa schon draußen gewesen und hatte gegraben: Ein Korb voller Kraut mitsamt seinen hellen Wurzeln stand vor ihr. Wenn sie daran dachte, was noch alles an Arbeit vor ihr lag … Heute hätte sie liebend gern auf Besuch aus der Saline verzichtet!
    Ellen hatte sich inzwischen auf eine Bank gesetzt. Rosa warf ihr einen missmutigen Blick zu und füllte das Schmalz in einen kupfernen Kessel um, der sich auf dem zögerlichen Feuer nur langsam erwärmte.
    »Wie so eine Hochzeit wohl vonstatten geht?« fragte Ellen. »Wahrscheinlich haben die Weiber alle die feinsten Kleider an, und die Herren stolzieren herum wie eitle Pfauen.« Sie lachte. »Und die Mägde müssen springen und ein Fass Wein nach dem andern herbeiholen. Und als Lohn dafür müssen sie sich noch von den feinen Herren an die Brüste und Hinterteile greifen lassen! Brr!« Sie schüttelte sich übertrieben. »Dem Himmel sei Dank, dass wir uns den Buckel für so etwas nicht krumm machen müssen!«
    Rosa trat ans Feuer. Aus einer Schüssel nahm sie je zwei Handvoll zerquetschte Kamillen-und Ringelblumenblüten und warf sie in die sämige Schmalzmasse. »Dafür musst du dir den Buckel auf andere Art krumm machen! Außerdem, was kümmert’s dich, wie die feinen Herren und Damen feiern? Die Leut’ aus der Saline sind schließlich nicht eingeladen worden. Nicht einmal eine Stunde Arbeit haben sie euch anlässlich des freudigen Ereignisses erlassen.« Jeder, der in den letzten Tagen zu ihr in die Hütte gekommen war, hatte sich darüber beklagt.
    Bitter verzog Ellen den Mund. »Da müsste schon der Himmel auf die Erde herabfallen, bevor die uns erlauben würden, die Siedewoche auch nur einen Tag später zu beginnen. Oder gar ausfallen zu lassen!« Sie schüttelte den Kopf. »Und wart’s ab. Jetzt, wo der Georg vom Studieren zurück ist, da wird bald ein ganz anderer Wind wehen, sagt mein Hermann. Um nicht zu sagen, ein eisiger Wind!« Ihre schwarzen Augen glänzten wie runde Kohlestückchen.
    Rosa zog die Augenbrauen hoch. Was Hermann, der alte Nörgler, zu sagen hatte, musste man nicht unbedingt für bare Münze nehmen. »Der junge Graf … eine Ewigkeit hab’ ich den schon nicht mehr gesehen. Früher, da sind er und sein Vater öfter hier vorbeigeritten.« Sie wies mit dem Kinn in Richtung Waldrand und lachte. »Jedesmal hat Georg seinen Gaul um die große, umgefallene Eiche herumgeritten, statt überzusetzen wie sein Vater. Was hat der sich darüber geärgert - bis hierher hab’ ich seine Beschimpfungen hören können!« Rosa schüttelte den Kopf. »Des Herrgotts bester Reiter ist er jedenfalls gewiss
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