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Die Salzbaronin

Die Salzbaronin

Titel: Die Salzbaronin
Autoren: Petra Durst-Benning
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dem Arzt eines Tages zu dumm werden würde, in ihr eine Konkurrentin seiner Heilkünste zu haben. Dann wär’s aus mit den einträglichen Geschäften! Dann würde sie sich davon ernähren müssen, was der mickrige Garten hinter dem Haus samt den drei Ziegen und sieben Hühnern hergab. Im schlimmsten Fall würde der Arzt dafür sorgen, dass man sie davonjagte. Nein, daran wollte sie nicht einmal denken!
    Das Schmalz hatte inzwischen eine gelbliche Färbung angenommen, und Rosa hob den Kessel vom Feuer. Dann widmete sie sich einem Büschel Hartheu, aus dessen gelblichen Blüten Saft austrat, so rot wie Blut. In Öl eingelegt, würde aus ihnen in wenigen Wochen eines der wirksamsten Heilmittel entstehen, das sie kannte.
    Dumpf hörte sie aus dem Garten des Herrenhauses Stimmen herüberklingen, ohne die einzelnen Worte oder deren Sinn zu verstehen. Sie schüttelte sich, als flattere eine lästige Mücke um sie herum. Nachdem sie die gelben Blüten in eine Flasche gestopft und mit Öl übergossen hatte, trat sie an den Korb, den sie erst am heutigen Morgen gefüllt hatte. Endlich. »Hexechrut«, hörte sie sich flüstern. Ihre Fingerkuppen schoben einige der Blätter des Christophkrauts auseinander, um die dunkelroten Beeren, die an den verzweigten Ästen wie Perlen in einer Muschel wuchsen, zu berühren. Sofort spürte sie, wie die Kraft des Giftes, das in jeder dieser Perlen lauerte, in ihre Finger floss. Sie spürte ihr Herz gegen die Innenwand ihrer Brust schlagen, ihr Puls trommelte in ihren Ohren, und sie hatte das Gefühl, als bekäme sie keine Luft mehr. Ihre Finger wanderten die Pflanze hinab zur Wurzel, die sich rauh und rillig anfühlte. Sie war so eisig wie gefrorener Schnee und genauso geruchlos. Richtig dosiert vermochte sie sogar das Gift der Pest auszutreiben. Zuviel davon aber brachte den sicheren Tod.
    Rosa schauerte es auf einmal, als würde sie von einem kalten Windhauch erfasst. »Was ist los mit dir, Weib?« schalt sie sich. Wahrscheinlich lenkte die Musik sie zu sehr ab. Sie seufzte.
    Als sie nach oben schaute, sah sie fünf einzelne, bräunliche Wolken in den trockenen, sonnenheißen Himmel aufsteigen: In allen fünf Sudhäusern waren die Feuerstellen angeworfen worden. Die letzte Sudwoche vor der Sonnwende hatte begonnen.
    Die Sonnwende! Hastig ging sie zu einem der Körbe, die an der Hauswand abgestellt waren, und wühlte ihn suchend durch. Würde der Bärlapp reichen, den sie gesammelt hatte? Unwillkürlich musste sie grinsen, als sie daran dachte, welch große Augen die Leute machen würden, wenn sie am nächsten Wochenende das Hexenmehl ins Sonnwendfeuer warf! Ihr »Aaahh!« und »Ohhh!« hatte Rosa noch vom letzten Jahr in den Ohren, und auch an das verzückte Staunen der Leute angesichts des im Feuer explodierenden Sporenstaubs der Pflanze konnte sie sich gut erinnern. »Ein bisschen Zauber zur rechten Zeit hat dem Ruf einer Kräuterfrau noch nie geschadet!« Rosa lachte leise. Schließlich musste sie gucken, wo sie blieb.

4
    Immer noch war es drückend heiß. Elisabeth konnte sich nicht daran erinnern, je einen so heißen Juni erlebt zu haben. Die Luft in ihrem Schlafzimmer war stickig, obwohl die Fenster weit geöffnet waren. Kein Windhauch wölbte die schweren Brokatvorhänge, die links und rechts davon zurückgeschoben waren. Sie starrte auf die leere Bettseite neben sich. Wie jeden Tag seit ihrer Hochzeit vor einer Woche war Georg in aller Frühe aufgestanden, um sich seiner Arbeit zu widmen. Der Abdruck seines Kopfes im Kissen war noch sichtbar. Elisabeth fuhr die Konturen mit ihrer linken Hand nach.
    Sie ließ ihren Blick durch den großen, quadratischen Raum wandern. Violas Handschrift war überall zu entdecken, angefangen bei den dunkelgrünen chinesischen Teppichen über die Sitzmöbel in gelblichem Birnenholz, deren düster gestreifte Bezüge das gleiche Grün aufwiesen, bis hin zu den Tapeten. »Die kommen direkt aus Brüssel und sind handgeschöpft«, hatte Maman ihr zugeflüstert und ehrfürchtig über die Struktur gestrichen. Der Raum hatte etwas Stilles, fast Beklemmendes an sich, so dass sich Elisabeth fragte, ob es wohl daran lag, dass sie so gar keine Lust zum Aufstehen verspürte. Sie hätte längst aufstehen sollen, das wusste sie. Es gab niemandem im Haus, der so spät aus den Federn kam wie sie. Nicht, dass irgend jemand deswegen auch nur einen Ton zu ihr gesagt hätte - warum auch? Aber die andern taten alle so geschäftig, gerade so, als ob der Tag nicht genügend
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