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Die Saga vom Eisvolk 07 - Das Spukschloß

Die Saga vom Eisvolk 07 - Das Spukschloß

Titel: Die Saga vom Eisvolk 07 - Das Spukschloß
Autoren: Margit Sandemo
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leicht auf seine Schulter, so daß ihm nicht anderes übrig blieb, als auf dem breiten Bett Platz zunehmen. Sie selbst sank, von einer Duftwolke umgeben, neben ihn. Für einen Moment glitt der Umhang zur Seite und entblößte ein elfenbeinfarbenes, wohlgestaltetes nacktes Bein.
    »Tancred, mein neuer, schöner Freund… Willst du mir bei einem Glas Wein Gesellschaft leisten? Es ist so langweilig, allein zu trinken.«
    »J-ja danke«, stammelte er, denn er würde es nie wagen, diesem furchteinflößenden Wesen etwas abzuschlagen. Er wollte sie nicht erzürnen.
    Sie erhob sich graziös und ging zu einer Anrichte hinter Ihm. Tancred hatte sie bei seinem Eintritt bereits bemerkt und meinte sich zu erinnern, daß darauf ein Silberbrett mit zwei Weinbechern und einer Karaffe stand. Er hörte, wie sie einschenkte und zu ihm zurückkam.
    Wieder sank sie neben ihm nieder und sah ihm beim Trinken tief in die Augen. Sie hatte phantastische Augen - wie kalte Edelsteine. Tancred wurde bei deren Anblick fast schwindelig.
    Er trank in tiefen Schlucken, ohne seinen Blick von ihr abwenden zu können. Der Wein war süß und vollmundig mit einem stimulierenden Kräutergeschmack. Am Anfang hatte er die Situation als ziemlich töricht empfunden, aber jetzt ließ er langsam alle Hemmungen fallen.
    Trotzdem verschlug es ihm fast die Sprache, als sie sich ungewöhnlich intim an seine Seite preßte. Die Luft war geschwängert von Sinnlichkeit und… Tancred suchte nach dem richtigen Wort. Lust? Welch ein abscheuliches Wort. Wie alt kann sie sein? dachte er blitzschnell. Sie war zeitlos, ewig auf eine Art. Aber wenn er hätte raten sollen, würde er sie auf ungefähr fünfunddreißig schätzen. Eine reife, üppige Frau.
    »Du bist also durch den Wald gekommen, Tancred? Über den Silberpfad?«
    Er nickte nur. Die Frau hatte sich so hingesetzt, daß sich der Umhang ein wenig öffnete, und er einen flüchtigen Blick auf das dunkle Innere werfen konnte. Es lief ihm kalt den Rücken herunter. Unter dem Umhang trug sie - nichts.
    Ihre großen Augen lächelten neckisch über seine Bestürzung, Sie nahm seine Hand und legte sie auf ihren Schenkel Sie war die Erotik in Person.
    Noch nie in seinem Leben war Tancred so verwirrt gewesen. Vater und Mutter hatten ihn gelehrt, wie ein gebildeter Mann sich aufzuführen hat, aber hiervon hatten sie wohl keine Ahnung!
    Nie andere verletzen. Das war Mutters erstes Gebot… Guter Gott, hilf mir, dachte er.
    »Ich… ich muß gestehen, daß ich ein völlig unerfahrener Knabe bin«, stotterte er. »Und ich möchte auch gerne… behalten …« Sie lächelte begeistert. Es flimmerte vor seinen Augen und sauste in den Ohren. »Wie heißt Ihr?« murmelte er bei dem Versuch, die Fassung nicht zu verlieren. »Salina«, flüsterte sie.
    Ihm wurde schwindelig. Wie durch einen Nebelschleier sah er, daß sie sich erhob und den Umhang auf den Boden gleiten ließ. Er sperrte die Augen auf, konnte sie aber nicht klar sehen. Nur ein diffuses, elfenbeinfarbenes Wesen irgendwo in der Ferne. Er sah ein goldrotes Dreieck… zwei suggestive Augen … So nah, so nah… Der Nebelschleier wurde dichter und das Ohrensausen betäubend.
    Klein-Tancred verschwand aus der Wirklichkeit und glitt in einen herrlichen Albtraum. Oder war es ein Traum? Er konnte es nicht entscheiden, seine Gedanken waren wie verklebt.
    Groteske, schauerliche Gesichter tauchten auf, näherten sich ihm, verschwanden wieder, nur um neuen in einem rhythmischen Strom Platz zu machen. Zwei stechende Augen über einer Oberlippe, eine Elle lang, eine vermoderte Harpyie, ein lachendes Teufelsgesicht, menschliche Augen, hassend und triumphierend… Eine Erscheinung nach der anderen.
    Da war die Frau, sie umschlang ihn in dem Versuch, ihn zu lieben, er wollte nicht, denn sie war eiskalt, so kalt, daß er es bis in die Knochen spürte. Sie lächelte ein hungriges, groteskes Lächeln, und er sank und sank, schwebte hinunter durch ein tiefes Loch in der Erde, immer tiefer, bis er eine Welt aus Eis und Dunkelheit erreichte… Die Erscheinungen veränderten sich. Sie waren noch immer erschreckend, wirkten aber nicht mehr so kompliziert.
    Um ihn herum war offener Raum. Kühler, kalter Raum, blauschimmernde Helle. Er sah, wie ein schwer beladenes Boot einen einsamen Strand verließ. Das Boot des Todes, dachte er. Es führt mich in das Land der Toten. Hilf mir, hilf mir, ich will nicht sterben, noch nicht!
    Der Fährmann hatte ein totenbleiches Gesicht mit harten, schwarzen Augen.
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