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Die Saga vom Eisvolk 07 - Das Spukschloß

Die Saga vom Eisvolk 07 - Das Spukschloß

Titel: Die Saga vom Eisvolk 07 - Das Spukschloß
Autoren: Margit Sandemo
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bereits Mitternacht, als er den Wald erreichte und den gleichen Weg wie beim ersten Mal einschlug. Der Vollmond machte die Nacht fast taghell, unter den Bäumen lagen blaue Schatten und die Zweige leuchteten silbern.
    Vierbeinige, friedliche Wesen bewegten sich in der Dunkelheit, und dabei knackte es im Unterholz. Tancred versuchte, sich lautlos zu bewegen, aber wie sollte ihm das auf dem dicken Teppich aus dem Laub des Vorjahres gelingen?
    Wie dumm ich bin, dachte er. Wie sollte es möglich sein, Molly hier zu finden? Oder Jessica, auf die er regelrecht neugierig war? Warum lief ein junges Mädchen so oft weg? Und die Aufwieglerin Molly? Und die schrecklichen… »sie«?
    Das waren natürlich die Verwandten. Vielleicht waren sie ja hinter Jessicas Erbe her?
    Nein, jetzt durfte er nicht anfangen zu phantasieren.
    Tancred blieb stehen und sah sich um.
    Jetzt war es im Wald ganz still. Er verfluchte sein Gedankenlosigkeit. Hatte er doch vergessen nachzusehen, wie der Mond im Verhältnis zum Gut seiner Tante stand. Ziemlich hoch oben, meinte er, aber auf welcher Seite? Tancred wußte nicht länger, wo er war. Der Wald sah nach allen Seiten gleich aus. Verzaubert, mystisch, unergründlich. Wildschweine?
    In den dänischen Wäldern gab es reichlich Wildschweine, und die konnten ziemlich hitzig werden, wenn man sie störte. Und er war unbewaffnet.
    Jetzt durfte er aber nicht den Teufel an die Wand malen. Er trabte ziellos umher. Er hatte keine Ahnung, wie tief der Wald war, aber unendlich konnte er ja wohl nicht sein. Irgendwann mußte er doch wieder herauskommen, wenn er nicht gerade im Kreis ging.
    Der Gedanke, wieder nach Hause zu gehen, half ihm auch nicht weiter, denn er wußte nicht länger, in welcher Richtung das Gut lag.
    Tancred runzelte irritiert die Stirn. Es sah ihm gar nicht ähnlich, so einen Fehler zu machen.
    Oder vielleicht doch? Er mußte sich eingestehen, daß er nicht immer nur vernünftig dachte.
    Es war nur so, daß er sich noch nie vorher auf diese Weise für ein Mädchen interessiert hatte. Sie erregte seine Neugierde, so weich und süß und hilflos, wie sie war. Tancreds Ritterinstinkte waren erwacht. In der Familie Paladin gab es ne Menge davon.
    Er trottete schwerfällig durch das raschelnde Laub und wurde immer verwirrter. Es war wie ein endloser Streifzug durch Dantes »Inferno«, fand er, eine Strafe für alle seine Sünden der vergangenen Jahre…
    Viel später erreichte er ein seltsames Waldgebiet. Die Bäume waren uralt, mit Flechten, die in langen Flocken von den Zweigen hingen. Die Stämme waren weiß und tot und teilweise mit wilden Weinränken übersät, so daß sie grotesken, grünen Behausungen für Elfen und Trollen ähnelten. Der Mond versilberte das trockene Gras und die Spinnweben. Der Laubteppich auf dem Boden war hier noch verrotteter. Eine tote Welt, dachte Tancred. Plötzlich blieb er stehen. Zwischen den dichtstehenden Bäumen öffnete sich eine Lichtung. Und er sah einen silbergrauen Pfad, den ersten in diesem Wald. Unter den Bäumen lag pechschwarzer Schatten. Wie verhext ging Tancred auf dem vom Mond beschienen Pfad weiter. Hier schien seit Jahren niemand mehr gegangen zu sein, alles war so still, so leblos. Er folgte dem Pfad, denn der mußte ja irgendwo hinführen. Immer weiter ging es. Tancred hatte schon fast vergessen, daß er auf der Suche nach Molly war, so sehr fesselte ihn der Pfad. Die Bäume wurden immer größer und älter, hier und da war aus dem Wald ein Knacken zu hören, wenn ein Ast aus Altersschwäche abbrach. Nervös sah er zu den Ästen über seinem Kopf hinauf.
    So bemerkte er auch nicht gleich, daß der Waldpfad einen Bogen machte. Als er wieder geradeaus sah, fuhr er ganz erschrocken zusammen.
    Ein Schloß erhob sich vor dem dunklen Nachthimmel. Uralt und verwittert lag es im Mondschein vor ihm hinter einem halb zugewachsenem Burggraben.
    Durch eines der kleinen unterteilten Fenster im ersten Stock fiel ein schwacher, gelber Lichtschein… Hier kann doch wohl niemand wohnen, dachte er schockiert.
    Er stand eine Weile im Schatten der Bäume und betrachtete das unglaublich ungemütliche Gebäude, dessen Anblick ihn fast so etwas wie kindliche Angst verspüren ließ.
    Dann straffte er seinen Rücken und begann, nüchtern nachzudenken.
    Der Pfad führte am Burggraben entlang zur anderen Seite. Er war wohl an der Rückseite angelangt. Aber das Licht…?
    Er ging zögernd näher, schlich sich bis zum Burggraben, aus dem es nach Verwesung stank, und ging
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