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Die Sache mit Callie und Kayden

Die Sache mit Callie und Kayden

Titel: Die Sache mit Callie und Kayden
Autoren: Jessica Sorensen
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die Lichter brennen, die Musik laut ist und Leute tanzen, rufen und lachen. Gläser stoßen klirrend aneinander, und ich kann die aufgestaute sexuelle Spannung bis nach hier draußen fühlen. Solche Orte meide ich um jeden Preis, weil ich da keine Luft bekomme. Zögernd betrete ich die unterste Stufe. Ich hoffe, dass ich unbemerkt in der Menge verschwinden, meinen Bruder finden und nichts wie weg von hier kann.
    »Erzähl mir nicht, dass es ein beschissener Unfall war!« Die Stimme wird lauter, donnert vor Wut. Es gibt einen lauten Knall, dann ein Knacken wie von splitternden Knochen. Unwillkürlich drehe ich mich um und sehe gerade noch, wie Mr. Owens Kayden seine Faust ins Gesicht rammt. Bei dem Knacken wird mir übel. Er schlägt wieder und wieder zu, hört nicht mal auf, als sein Sohn sich auf dem Boden krümmt. »Lügner werden bestraft, Kayden.«
    Ich warte, dass Kayden wieder aufsteht, doch er bleibt einfach liegen, hält sich nicht mal schützend die Arme vors Gesicht. Sein Vater tritt ihm in den Bauch, ins Gesicht, immer fester, und es scheint kein Ende in Sicht.
    Ich reagiere, ohne nachzudenken, will so dringend helfen, dass in meinem Kopf kein Platz mehr für Zweifel ist. Ohne nachzudenken, laufe ich über den Rasen, durch das wirbelnde Laub. Als ich bei ihnen bin, begreife ich zitternd und schockiert, dass die Situation viel übler ist, als ich gedacht hatte.
    Mr. Owens’ Handknöchel sind aufgerissen, und Blut tropft auf den Zement vorm Pool-Haus. Kayden liegt am Boden. Auf seinem Wangenknochen ist eine Platzwunde, ähnlich einem Riss in einer Baumrinde. Ein Auge ist zugeschwollen, seine Lippen sind aufgeplatzt, und sein Gesicht ist blutverschmiert.
    Mr. Owens sieht mich an, und ich zeige mit einem zitternden Finger über meine Schulter. »In der Küche fragt jemand nach Ihnen«, sage ich und bin froh, dass meine Stimme ausnahmsweise ruhig bleibt. »Die brauchen bei irgendwas Hilfe … Ich weiß nicht mehr genau, wobei.«
    Sein Blick bohrt sich in mich, und ich weiche vor dem Zorn und der Ohnmacht zurück. Seine Wut scheint ihn völlig zu beherrschen. »Wer zur Hölle bist du?«
    »Callie Lawrence«, antworte ich leise. Mir fällt auf, dass er eine Fahne hat.
    Sein Blick wandert von meinen ausgelatschten Schuhen zu der schweren schwarzen Jacke mit den Schnallen und landet schließlich auf meinem knapp kinnlangen Haar. Ich sehe wie eine Obdachlose aus, aber das ist Absicht. Ich will ja, dass mich keiner beachtet. »Ach ja, du bist die Tochter von Coach Lawrence. Im Dunkeln habe ich dich gar nicht erkannt.« Er sieht hinab zu dem Blut an seinen Händen, dann wieder zu mir. »Hör zu, Callie, ich wollte nicht, dass das passiert. Es war ein Unfall.«
    Unter Druck funktioniere ich nicht besonders, deshalb bleibe ich stocksteif stehen und horche auf mein lautes Herzklopfen. »Okay.«
    »Ich muss mich saubermachen«, murmelt er. Für einen kurzen Moment sieht er mich wieder mit diesem eindringlichen Blick an, bevor er über den Rasen zur Hintertür stapft, seine verletzte Hand angewinkelt.
    Ich konzentriere mich wieder auf Kayden und atme langsam aus. »Bist du okay?«
    Er hält sich eine Hand über sein Auge, starrt auf seine Schuhe und hält die andere Hand weiter vor die Brust. Er wirkt hilflos, schwach und verwirrt. Eine Sekunde lang stelle ich mir vor, ich läge da am Boden, mit Schnitten und Blutergüssen, die man nur von innen sieht.
    »Mir geht’s gut«, antwortet er schroff, und ich drehe mich zum Haus, um wegzulaufen.
    »Wieso hast du das gemacht?«, ruft er durch die Dunkelheit.
    Ich bleibe am Rand des Rasens stehen und wende mich wieder zu ihm um. »Das hätte jeder getan.«
    Er zieht die Braue über dem heilen Auge nach unten. »Stimmt nicht.«
    Kayden und ich sind schon seit der Vorschule in einem Jahrgang. Traurigerweise ist dies die längste Unterhaltung, die wir seit der Sechsten führen – seit ich zum Klassenfreak erklärt wurde. Mitten im Schuljahr kam ich mit kurzen Haaren und Klamotten in die Schule, die mich fast verschluckten. Danach verlor ich sämtliche Freunde. Selbst bei den gemeinsamen Essen unserer Familien tut Kayden, als würde er mich nicht kennen.
    »Das hätte so gut wie keiner getan.« Langsam nimmt er die Hand vom Auge und steht unsicher auf. Er überragt mich. Kayden ist einer der Jungs, in die sich Mädchen verlieben, mich eingeschlossen, als Jungs für mich noch keine Bedrohung waren. Sein braunes Haar steht an den Ohren und im Nacken ein bisschen ab, und sein sonst
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