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Die russische Herzogin

Titel: Die russische Herzogin
Autoren: Petra Durst-Benning
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zustimmen: Solch ein Spiel kann doch nur einem kranken Hirn entspringen!«
    »Die Kinder spielten ein Attentat nach?«, fragte Karl mit weit aufgerissenen Augen.
    Ihr liebes kleines Patenkind und solch ein gemeines Spiel? Das ging so schlecht zusammen wie Öl und Wasser! Olly schüttelte den Kopf. »Bestimmt war Nikolai der Anstifter. Karl, erinnerst du dich – in fast jedem seiner Briefe beschwert sich Kosty über die Frechheiten seines Sohnes. Nikolai hat Wera zu diesem Spiel verführt, so war es!«
    Dr. Haurowitz seufzte. »Ich befürchte, in diesem Fall war wirklich Wera die treibende Kraft. Es war nicht das erste Mal, dass man sie bei diesem … Spiel erwischt hat.«
    »Kein Wunder, dass sich die Königin von Hannover weigerte, das Kind aufzunehmen«, sagte Evelyn von Massenbach. Sie ergriff Ollys rechte Hand, drückte sie und sagte leise, aber bestimmt: »Ihnen ist doch klar, dass es nicht dienlich wäre, Wera unter diesen Umständen hierzubehalten? Niemand von uns wäre in der Lage –« Sie brach ab, weil plötzlich neben ihr Lachen ertönte.
    Beide Frauen schauten Karl entsetzt an.
    »Verzeihung«, sagte der Kronprinz. »Aber die Vorstellung ist einfach zu komisch. Wäre ich an der Stelle des Griechen gewesen, so hätte ich auf dem Absatz kehrtgemacht.« Er hob sein Glas und prostete dem Arzt zu.
    Olly schaute ihren Mann traurig an. »Es gab Zeiten, da bist du nicht vor jeder Herausforderung gleich zurückgeschreckt«, flüsterte sie ihm so leise zu, dass nur er es hören konnte. Dann wandte sie sich an den Arzt.
    »Weiß Wera, dass man in Russland erwog, sie in ein Heim zu stecken?« War sie deswegen angsterfüllt fortgerannt? Weil sie geglaubthatte, dasselbe Schicksal würde ihr hier in Stuttgart drohen?
    Doch Dr. Haurowitz verneinte. »Wo denken Sie hin! Die Eltern haben mit Wera nicht darüber gesprochen.« Die Missbilligung in seiner Stimme war nicht zu überhören.
    Olly atmete auf. »Dabei soll es auch bleiben. Und Wera darf niemals die wahren Gründe für ihr Exil erfahren, hört ihr? Wehe, es fällt auch nur eine Bemerkung dieser Art! Wera ist nicht geisteskrank, da können Sie sagen, was Sie wollen. Und in eine Anstalt kommt sie nur über meine Leiche. Ich weiß, wie es in solchen Heimen zugeht, schließlich stehe ich der Heil- und Pflegeanstalt Mariaberg vor. Das Personal gibt sich alle Mühe, davon kann ich mich bei jedem meiner Besuche überzeugen, aber sie sind mit der großen Zahl ihrer Pfleglinge überfordert. Karl, du kannst dir nicht vorstellen, wie laut es dort ist! Die armen Irren schreien unentwegt, andere toben und sind eine Gefahr für sich und andere. Den Pflegern bleibt nichts übrig, als sie zu fesseln. Etliche sind nicht nur krank im Geiste, sondern leiden auch unter Knochendeformierungen oder anderen körperlichen Behinderungen. Die Kinder in solchen Institutionen sind besonders arm dran. Wenn ich an ihre Blicke denke, leer und irr …« Ein Frösteln kroch über Ollys Rücken. Auch wenn sie es ungern zugab – von allen wohltätigen Verpflichtungen, denen sie sich verschrieben hatte, fielen ihr die Besuche in der Irrenanstalt in der Nähe von Reutlingen am schwersten.
    »Ich pflichte Ihnen bei. Selbst nach dem Auftritt von vorhin glaube ich nicht, dass die kleine Wera ein Fall für Mariaberg oder sonst eine Anstalt wäre«, sagte Evelyn, die Olly bei ihren Besuchen stets begleiten musste. »Die Frage, ob wir in der Lage sind, ihr zu helfen, bleibt dennoch bestehen …«
    Liebevoll schaute Olly ihre Hofdame an. So zaghaft kannte sie ihre beste Freundin gar nicht. Eigentlich ließ sich Eve von nichts und niemandem Bange machen.
    Ollys Schultern strafften sich. Bangemachen galt auch jetzt nicht!
    »Gewiss können wir das. Mit Liebe und Geduld lässt sich viel erreichen.Ich gebe zu, was Dr. Haurowitz erzählte, hat auch mich überrascht. Dass meine Familie so ratlos ist, wusste ich nicht, sonst hätte ich meine Hilfe schon viel früher angeboten. Doch der Zar hat sich nicht umsonst explizit an mich gewandt. Ich werde sein Vertrauen nicht enttäuschen. Andere mögen vor einer solchen Aufgabe zurückschrecken – ich jedoch werde daran wachsen.«
    »Olly«, sagte Karl in seltsamem Ton. »Willst du etwa wirklich –«
    Sie fixierte ihn mit einem Blick, der ausdrückte: Wage es, mich aufzuhalten!
    »Wera bleibt.«
    Wie aufs Stichwort ging die Tür auf, und Cäsar Graf von Beroldingen erschien mit Wera auf dem Arm.
    »Eure Hoheit – hier haben Sie die kleine Ausreißerin
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