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Die roten Blueten von Whakatu - Ein Neuseeland-Roman

Die roten Blueten von Whakatu - Ein Neuseeland-Roman

Titel: Die roten Blueten von Whakatu - Ein Neuseeland-Roman
Autoren: Inez Corbi
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Ortschaft erhob sich ein breiter Hügel, auf dem eine Reihe von Gebäuden thronte, die von einer durchgehenden Holzpalisade umgeben waren. Es sah aus wie eine kleine Festung. Schon machten sich die ersten Neuankömmlinge auf den Weg dorthin.
    Linas Herz schlug aufgeregt. Bald, bald durften auch sie an Land gehen!
    Es war bereits später Vormittag, als die Schwestern endlich von Bord klettern konnten. Zuerst wurde das Gepäck entladen; ein Matrose warf Linas Reisetasche einem Mann zu, der in einem kleinen Boot auf sie wartete. Dann half er ihr über die Reling und auf die schwankende Strickleiter. Es war um einiges schwieriger, als es ausgesehen hatte, obwohl der Mann die Leiter von unten straff hielt. Der Strick schnitt in ihre Handflächen, und Lina musste sich mit beiden Händen festhalten und hatte nicht einmal eine Hand frei, um zu verhindern, dass ihr Rock sich bauschte und ihre Beine zeigte.
    Sie war erleichtert, als sie und Rieke endlich in dem schwankenden kleinen Ruderboot angekommen waren. Der Mann, der das Boot führte, trug ein Muster dunkler, narbiger Linien und Kreise in seinem breiten Gesicht. Er sagte etwas, das sich anhörte wie » Welcome to Whakatu «, und hielt die Ruder fest, bis auch die Mädchen sicher saßen. Dann begann er zu rudern.
    Rieke starrte ihn unverhohlen an. Lina stupste sie vorsichtig in die Seite, weil dieses Starren ungehörig war, aber auch sie selbst konnte nicht anders, als ihn unter leicht gesenkten Lidern anzusehen. Das musste einer der Maori sein, von denen sie schon auf der Skjold gehört hatte. Manche sagten, es seien Menschenfresser. Aber bis auf die Gesichtstätowierung wirkte dieser hier eigentlich recht ungefährlich.
    Mit jedem Ruderschlag näherten sie sich dem Ufer. Lina sah weiße Männer und Frauen, aber auch ein paar der fremdartigen Maori mit freiem Oberkörper und hellbrauner Haut. Die meisten von ihnen hatten diese seltsamen Tätowierungen im Gesicht und manche auch auf Rücken oder Brust.
    Im niedrigen Wasser des Hafenbeckens stand ein Karren, vor den ein Ochse gespannt war. Als das Wasser in Strandnähe immer flacher wurde, ruderte der Maori direkt neben den Karren und reichte das Gepäck an einen Mann weiter, der auf dem Kutschbock saß. Er war europäisch gekleidet, aber er war kein Weißer. Er sah allerdings auch nicht aus wie einer der Maori. Seine Augen in dem schmalen Gesicht standen schräg – ein Chinese?
    Sobald das Gepäck verstaut war, reichte er Lina die Hand.
    »Welcome to Nelson!«, sagte er. Lina nickte höflich und griff nach seiner Hand.
    Das Boot schaukelte. Sie machte einen großen Schritt, um auf den Karren zu wechseln, verlor jedoch beinahe das Gleichgewicht und wäre ins Wasser gefallen, wenn der chinesisch aussehende Mann sie nicht mit beiden Händen festgehalten hätte. So wurden nur ihr linker Schuh mit der dünnen Ledersohle und ihr Rocksaum nass.
    »Vielen Dank«, sagte sie erleichtert und ließ sich von ihm ganz auf den Karren helfen.
    »Appo Hocton«, sagte er freundlich.
    »Wie bitte?«
    »My name is Appo Hocton«, wiederholte er und deutete auf sich.
    »Ah, natürlich. Lina. Karolina Salzmann«, gab Lina zurück. »Und das ist Rieke, meine Schwester. My sister .«
    Mr Hocton half auch Rieke und den anderen beiden Bootspassagieren auf den Karren. Dann ließ er die Zügel schnalzen und brachte alle an Land, dorthin, wo bereits die anderen Auswanderer warteten.
    Lina stieg vom Karren. Langsam. Zum ersten Mal hatte sie neuseeländischen Boden unter den Füßen. Diesen Moment wollte sie mit allen Sinnen wahrnehmen.
    Sie stand still. Ganz still. Dennoch hatte sie das seltsame Gefühl, dass der Boden sich unter ihren Füßen bewegte. Er schien ganz leicht auf und ab zu wogen.
    »Huch«, machte in diesem Moment Rieke, die neben ihr an Land gesprungen war. »Das fühlt sich ganz komisch an.«
    »Das ist normal«, klärte sie Mr Kelling auf, der sich zu ihnen gesellt hatte. »Nach einer längeren Schiffsreise fühlt es sich anfangs immer so an, als würde der Boden schwanken. Aber das gibt sich schnell.«
    Er deutete zu den einfachen Holzbauten, die sich hinter der Palisade auf dem nahe gelegenen Hügel erhoben. »Wenn alle an Land sind, werde ich uns im Einwanderungsbüro der Neuseeland-Compagnie melden.«
    Wer nur wenig Gepäck hatte, machte sich bereits auf den Weg. Lina hatte es nicht eilig, schließlich waren noch nicht alle Auswanderer an Land. An der Anlegestelle ging es zu wie im Bienenstock. Koffer und Reisekisten in allen
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