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Die rote Schleife

Die rote Schleife

Titel: Die rote Schleife
Autoren: edition zweihorn GmbH & Co. KG
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leid, dass er mit wenigen Worten nun ihr Leben komplett auf den Kopf stellen würde.
    „Ich habe HIV!“ Der kurze Satz war kaum vernehmbar, aber das ganze Café schien für den Moment eines Herzschlages die Luft anzuhalten. Mehr brauchte Maximilian nicht zu sagen. Lydia hatte begriffen. Sie ließ sich in ihren Stuhl zurücksinken, holte Luft und mit einem Mal flog ihre flache Hand gegen Maximilians Gesicht.
    Ein gleißendes Ziehen breitete sich über seine linke Wange aus. Damit hatte Maximilian nicht gerechnet. Aber verstehen konnte er es jetzt schon.
    „Du Arsch!“, hauchte sie ihn leise an. Diese Szene war an den anderen Gästen nicht unbemerkt vorbeigegangen. Mancher schüttelte nur irritiert den Kopf, andere lächelten verschmitzt, weil sieglaubten, das junge Paar stecke in einer Beziehungskrise.
    „Mehr hast du nicht zu sagen?“ Maximilian hielt ihrem anklagenden Blick stand. Ihre Lippen bebten, die Farbe in ihrem Gesicht wich einem fahlen Weiß. Lydia griff nach ihrer Jacke, die sie über die Stuhllehne geworfen hatte.
    „Warte!“ Maximilian hielt sie am Arm fest.
    „Lass mich sofort los oder ich schreie um Hilfe!“ Maximilian lockerte seinen Griff.
    „Setz dich. Ich habe ein paar Fragen an dich. Bitte!“
    Lydia hatte sich gefangen und nahm wieder ihren Platz ein.
    „Was soll das, willst du mein Leben ruinieren?“
    „Die Frage ist, wer hier wem etwas ruiniert. Ich bin mir sicher, dass du mich angesteckt hast. Aber ich will dir keinen Vorwurf machen, denn daran bin ich genauso schuld.“
    „Ich dich? Du spinnst ja wohl! Sehe ich so aus, als ob ich HIV hätte?“
    „Sehe ich denn so aus? Oder der Mann da drüben? Jeder könnte es haben, Lydia, und du siehst es keinem an. Weder an der Nase noch sonst wo. Es hilft nichts, sich zu verstecken. Ich wollte es dir nur sagen. Wäre nämlich besser, du machst auch einen Test.“
    „Ich brauche keinen Test. Und dein blödes Gerede brauche ich auch nicht. Ich fühle mich so fit wie eh und je. Egal, was für einen Scheiß du noch sagen wolltest, behalte ihn für dich. Und deinen Latte steck dir sonst wohin.“
    Lydia war nun aufhundertachtzig. Erbost stand sie wieder auf, schnappte sich ihre Jacke und stampfte fauchend aus dem Café.
    „Das ging ja mal mächtig in die Hose!“, grummelte Maximilian, griff ebenfalls nach seiner Jacke und eilte Lydia hinterher.
    Die erstaunten Blicke der anderen Gäste und des Wirtes bekamen sie beide nicht mehr mit.
    „Nu warte doch!“, rief Maximilian. Lydia klapperte mit ihren Schuhen über das Kopfsteinpflaster und lief weiter, ohne sich auch nur ein einziges Mal umzudrehen.
    „Glaubst du mir nicht? Oder warum läufst du weg? Hast du Angst vor der Wahrheit? Jetzt bleib doch stehen, ich weiß genau, wie du dich fühlst! Ach, mach doch was du willst, ich habe meine Pflicht getan. Alles andere liegt bei dir.“ Maximilian blieb stehen, blickte ihr kurz nach und kickte dann frustriert gegen einen kleinen Stein. Im hohen Bogen flog er auf eine Vitrine zu und kam klackernd wieder zu Fall. Die Scheibe hielt stand. Wie durch dieses Geräusch wachgerüttelt blieb Lydia plötzlich stehen. Ein, zwei Atemzüge, schließlich drehte sie sich um und sah Max in die Augen.
    „Das Café Eduardo ist ein blöder Ort für so eine Aussprache, oder?“ Maximilian nickte stumm. „Komm, wir fahren auf den Kupferberg.“
    Maximilian folgte Lydia und als sie ihr Auto erreicht hatten, stieg er ein. Lydia fuhr schweigend aus der
    Stadt heraus. Der Kupferberglag auf einer Anhöhe, nur wenige Kilometer weit weg. Auf dem Kupferberg stand ein alter Aussichtsturm, der früher benutzt wurde, um näher kommende Feinde den Stadtposten mit Rauchzeichen und Feuersignalen frühzeitig zu melden. Dieser Aussichtsturm war ihr Ziel.
    Der Wagen kam rutschend auf dem Kies zum Stehen. Immer noch stumm liefen die beiden einen gewundenen Pfad den Hügel hinauf. Max konnte schließlich diese quälende Stille nicht mehr ertragen.
    „Was denkst du jetzt?“, fragte er daher.
    Lydia blieb kurz stehen. Sie streckte ihre Finger aus. Maximilian sah, dass Lydia leicht zitterte.
    „Ich hätte es dir echt gerne erspart. Aber das wäre keine Lösung, es dir einfach nicht zu sagen. Du steckst eigentlich in der gleichen Misere. Bald musst du dich fragen, woher du das hast, und die Person dann genauso sprechen.“
    „Noch habe ich gar nichts!“, keifte Lydia ihn an. „Du verpasst mir einen Riesenschreck, dabei ist es reine Vermutung!“
    „Und was, wenn meine Vermutung
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