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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten
Autoren: Karl May
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welcher bei der Nachricht von dieser Allianz mit seinem schlagfertigen Heere sofort in Oesterreich eingefallen war und die Verbündeten zu Paaren trieb. Die Siege bei Hohenfriedberg und Sorr lichteten besonders die Reihen der Sachsen auf die jämmerlichste Weise, denn die Preußen waren erbittert über die Untreue ihrer früheren Verbündeten und warfen schonungslos nieder, was ihnen in den Weg trat.
    Die so entstandenen Lücken mußten natürlich ausgefüllt werden und so bildeten sich nach der Weise jener Zeit im Lande zerstreute Werbestationen, welche nicht blos den freiwilligen Eintritt in die Armee vermittelten, sondern häufig auch Zwang übten, so daß die jungen, tauglichen Leute von den Tanzsälen, ja sogar bei Nacht und Nebel aus den Betten weggeholt wurden. Gewalt ließ sich gegen Soldaten, welche den kurfürstlichen Rock trugen, nicht anwenden, und so gab es vor ihnen keine andere Rettung als die Flucht. Aber auch diese war schwer, denn diese Menschenjagden wurden stets unvermuthet und meist in der Stille der Nacht ausgeführt, und ein weit ausgebreitetes Spionirsystem zog seine Netze über das ganze Land, so daß der Bedrohte sicher durch die andere Masche in das Garn zurückschlüpfte, wenn er vorher durch die eine aus demselben entkommen war.
    Heut hatten die »Seelenverkäufer«, wie die Werber im Volksmunde hießen, einigen Schwadronen sächsischer Reiterei, welche in Hohenstein und Ernstthal lagen, neue Mannschaften zugeführt, und die Offiziere saßen nach geschehener Besichtigung derselben im Gasthofe. Auch der »Blauweiße« war bei ihnen, doch schien in diesem Kreise die Aufmerksamkeit für seine Person eine zweifelhafte zu sein, und wenn er in den Lauf des Gespräches mitredend eingriff, so überflogen ihn die Augen der Andern mit zweideutigem Blicke. Eben hatte er wieder eine seiner Tiraden beendet und warf seine schwere Gestalt mit einem Gesichte in den krachenden Stuhl zurück, in welchem sich deutlich die Erwartung einer bewundernden Anerkennung aussprach.
    »Ja, das ist wahr«, nahm nach einer längeren Pause der Major das Wort. »Ich kann nicht begreifen, in welcher Weise es Euch gelingen mag, die ruhmbegierigen Muttersöhnchen uns immer in so bedeutender Anzahl zuzuführen. Es setzt das jedenfalls eine höchst intime Bekanntschaft mit den Verhältnissen des Pöbels voraus, bei dem allerdings eine kräftige Faust und ein kerniger Soldatenfluch Wunder zu bewirken vermag. Von diesem Gesichtspunkte aus thut allerdings das sächsische Cabinet klug, Eure so oft vom Könige verlangte Auslieferung zu verweigern, und selbst wenn Eure jetzige Thätigkeit eine weniger erfolgreiche wäre, so schickte man doch nicht gern einen Mann über die Grenze, der sich durch den Verkauf unfreiwillig mitgegangener Pläne und Documente so unendlich verdient gemacht hat. Man ist in Sachsen eben einsichtsvoll und dankbar genug, zu bedenken, daß ein jeder Mensch, sogar ein ehemaliger preußischer Infanteriehauptmann nicht ausgenommen, am Halse seine kitzlichste Stelle hat.«
    »Herr Major!«
    »Schon gut, wir kennen uns und sind Beide gewiß recht brauchbare Leute, nur Jeder in seiner Art, und es thut mir wirklich leid, daß unsre Ansicht über den endlichen Verlauf der jetzigen Ereignisse eine so sehr verschiedene ist. Ihr scheint anzunehmen, daß der königliche Flötenspieler mit seinen kriegerischen und diplomatischen Evolutionen bald beim Finale stehen werde und mögt das in Euren Verhältnissen auch recht wünschenswerth finden, doch wird diese Ansicht nicht von mir allein als unbegründet zurückgewiesen. Wie ist’s, Krieben?«
    »Sehr wahr«, antwortete der angesprochene Rittmeister. »Die Politik Sachsens hat wieder einmal einen unverzeihlichen
faux pas
begangen. Sachsen ist, seine physikalischen Verhältnisse zu den Nachbarstaaten auch einmal nicht in Mitrechnung gebracht, durch unzählige Beziehungen der verschiedensten Art in Abhängigkeit zu Preußen gestellt, während die Inclination zwischen dem Kaiserstaate und uns mir keine tiefer gehende zu sein scheint. So lange der sächsische Januskopf sein Friedensgesicht nach Süden wendet und dem nördlichen Nachbar feindselige Grimassen schneidet, wird es sowohl an militärischen als auch civilen Ohrfeigen nicht mangeln, und die kriegerischen Bravours der märkischen Expansivkraft müssen schließlich allemal mit kurfürstlichem Avers und Revers bezahlt werden.«
    »
Halte l’a,
« entgegnete eifrig der Junker, »mir scheint das Verhalten Friedrichs
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