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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten
Autoren: Karl May
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einen Hand mich aufzurichten suchte, während ich ihn mit der andern bei dem langen, prächtigen Vollbarte gepackt hielt. Freilich gelang es mir nicht emporzukommen, denn der Mann drückte mich mit wahrer Elephantenstärke nieder und raubte mir durch einige Faustschläge, die wie Axthiebe auf meine arme Hirnschale niederschmetterten, die Besinnung.«
    »Und das erzählst Du?«
    »Warum nicht? Von einem solchen Gegner besiegt zu sein, ist keine Schande, und wenn ich ihm heut auf neutralem Boden begegnete, so würde ich ihm mit dankbarer Anerkennung die Hand drücken. Bei seiner riesigen Stärke würde es ihm jedenfalls ein Leichtes gewesen sein, mich in’s Jenseits zu spediren, und ich habe seine letzten Worte wohl behalten:
    ›Adieu, Herr Kamerad! Ich wünsche nicht Euern Tod, Ihr sollt nur ein wenig schlafen, mehr nicht. Meinen Hengst lasse ich für Euch zurück; haltet ihn gut, ich werde ihn seiner Zeit gegen Euern Goldfuchs wieder umtauschen!‹«
    »Und dann?«
    »Was dann! Als ich wieder zu mir kam, standen die Andern bei mir und der Flüchtling war fort. Sogar seine und meine Waffen hatte er erst noch Zeit gehabt zusammen zu lesen, und der Fuchs ist mir bis heute untreu geblieben. Hol’s der Teufel!«
    »Was für eine Figur hatte der Mann?«
    »Er schien gar nicht etwa ein Riesenkind zu sein. Einzelheiten habe ich mir freilich bei der rapiden Geschwindigkeit, mit welcher das Alles von Statten ging, nicht merken können, und ich weiß deshalb nur, daß er kürzer war als ich und einen Vollbart trug. Wieder erkennen werde ich ihn wohl schwerlich; aber dem Wappen nach, welches ich an der Schabrake des zurückgelassenen Pferdes bemerkte, muß es Einer aus der Familie von Göbern sein.«
    »Ach, richtig; dem traue ich’s zu!« rief da der Blauweiße. »Der Rittmeister von Göbern ist der Pathe und Liebling des alten Dessauers, hat bei ihm die Epauletten erhalten, ging dann zum Markgrafen von Schwedt und steht jetzt bei Ziethen. Er ist der beste Reiter und Fechter der Armee, ein feiner Strategiker und besitzt, nebenbei bemerkt, ein wahrhaft fürstliches Vermögen. Persönlich kenne ich ihn nicht, aber erzählen hörte ich viel von ihm. Es gab eine Zeit, in welcher er der Gefeierte der Damenwelt Berlins und Potsdams war, bis man entdeckte, daß er zum Verlieben zu ernst und zum Verheirathen zu vorsichtig sei. Seiner geistigen Gewandtheit und körperlichen Stärke und Unverwüstlichkeit wegen ist er öfters zu den schwierigsten und anstrengendsten Missionen verwendet worden, und es sollte mich wundern, wenn man in Beziehung auf meine Person, da alle Versuche gescheitert sind, – doch das gehört nicht hierher. Uebrigens ist sein Marstall stets reich besetzt und läßt nichts zu wünschen übrig. Hast Du das Pferd bekommen?«
    »Freilich, und ich könnte mit dem Tausche sehr wohl zufrieden sein, wenn der Hengst nicht einen unverzeihlichen Fehler hätte.«
    »Welchen?«
    »Er läßt Niemanden im Sattel.«
    »Das wäre!«
    »Gewiß! Du weißt, daß ich kein ganz ungeschickter Reiter bin, und nach mir haben ihn zehn Andere bestiegen, die vielleicht noch fester sitzen als ich: aber abgesetzt sind wir worden. Eine Schande ist’s, das gestehen zu müssen, aber was will man machen? Kein Mittel habe ich unversucht gelassen, aber immer ohne Erfolg; er gehorcht weder im Guten noch im Bösen, und wirft mir die zähesten Bereiter vor die Füße. Ich schlüge ihn deshalb gern los, wenn ich ihn in gute Hände bringen könnte.«
    »Hast Du ihn mit?«
    »Ja, er steht mit dem Braunen beim Schmiede. Ich bin überhaupt jetzt verteufelt schlecht beritten. Den Hengst darf ich nicht besteigen und lasse ihn mir also nur als theures Andenken an jene vehementen Kopfnüsse nachführen, und der Braune geht lahm; weil er sich nicht beschlagen läßt. Man hat ihm einmal einen Nagel in’s Leben getrieben, und seit jener Zeit steht er keinem Schmiede mehr. Mein Fahnenschmied war der Einzige, dem er sich anvertraute, und der ist leider im Spitale gestorben. Da habe ich denn sämmtliche Schmiede, bei denen mich unsere Marschroute vorbeiführte, aufgetrommelt, aber ein Eisen hat mir Keiner auflegen können. Nun hinkt das Thier auf allen Vieren und ich muß die ganze Zeit über auf geborgten Pferden hängen.«
    »Zu wem hast Du geschickt?«
    »Weißpflog heißt der Mann und soll der beste Beschläger weit und breit sein.«
    »Das ist er auch. Zwar war ich noch nicht bei ihm, aber wenn irgend Einer, so vermag er es.«
    »Ich glaube kaum, daß ein
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