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Die Ritter des Nordens

Die Ritter des Nordens

Titel: Die Ritter des Nordens
Autoren: James Aitcheson
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Gestank zerstückelter Gedärme. Fünf Feinde lagen schon tot oder verletzt am Boden, während wir allem Anschein nach erst einen Verletzten hatten.
    »Für St-Ouen und für König Guillaume«, brüllte ich. »Für die Normandie, für Earnford und für England!«
    Dann sah ich, wie rechts von mir eine Speerspitze funkelte. Als ich mich umdrehte, erblickte ich einen der Feinde, der sich gerade auf mich stürzen wollte. Ich hob den Schild und fing den Stoß ab, der vorne am Buckel abprallte und meinen ganzen Arm erbeben ließ. Bevor der Mann ein zweites Mal zustoßen konnte, war ich schon bei ihm und rannte ihn einfach über den Haufen. Er ging krachend zu Boden und ließ die Waffe fallen. Im nächsten Augenblick stand ich über ihm und bemerkte sein rotes Haar. Für den Bruchteil einer Sekunde trafen sich unsere Blicke. Doch er fand nicht einmal mehr genügend Zeit, um einen Schrei auszustoßen, bevor ich ihm das Schwert durch die Rippen direkt ins Herz bohrte.
    Sofort hielt ich Ausschau nach dem nächsten Gegner, doch die Feinde waren inzwischen vor meinen Leuten zurückgewichen. Deshalb konnte ich in meiner unmittelbaren Nähe weder Freund noch Feind entdecken – mit Ausnahme des Mädchens Hild, die neben einem Gefallenen im Gras kniete und mich mit tränenerfüllten Augen ansah. Ihre Wange und ihr Kleid waren mit Blut befleckt. Im ersten Augenblick war ich verwirrt, bis ich begriff, dass der Tote, neben dem sie kniete, Lyfing war. Er hatte die Augen geschlossen, und sein Kittel war vorne auf der Brust rot verfärbt. Ein tiefes Loch klaffte in seiner Brust. Das konnte nur der rothaarige Kerl gewesen sein, den ich gerade ins Jenseits befördert hatte.
    »Es tut mir leid«, murmelte ich, obwohl Hild mich gar nicht verstehen konnte. Hätte ich doch nur besser auf Lyfing aufgepasst, dachte ich, ihn vor allem vor sich selbst geschützt. Eigentlich hätte mir ja klar sein müssen, dass er zuerst versuchen würde, sein Mädchen zu befreien. Ich selbst hätte an seiner Stelle gewiss genauso gehandelt.
    Doch ich konnte mich nicht länger bei Hild und dem toten Lyfing aufhalten, da meine Leute noch im Kampf standen. Auf der anderen Seite des Lagerfeuers waren die Pferde an den Bäumen festgemacht. Die Tiere bäumten sich immer wieder verängstigt auf und versuchten sich loszureißen. Aber auch die überlebenden Waliser selbst gerieten zusehends in Panik. Schließlich hatten sie mit eigenen Augen gesehen, wie ihr Anführer und mehrere ihrer Kameraden in den Staub gesunken waren; und sie verspürten offenbar kein Verlangen, es ihnen gleichzutun. Ein paar von ihnen wollten fliehen. Serlo und einige unserer Männer nahmen sofort die Verfolgung auf. Andere setzten sich verzweifelt zur Wehr, wollten lieber heroisch sterben als Reißaus nehmen. Gegen so versierte Schwertkämpfer wie Pons und Turold hatten sie natürlich keine Chance; und so lagen sie kurz darauf bereits im Gras. Blieben noch sechs von ihnen, die Rücken an Rücken standen und einen Kreis bildeten. Sie hielten ihre Speere waagerecht vor sich ausgestreckt. Allerdings waren sie jetzt nur noch wenige und uns zahlenmäßig weit unterlegen. Und so blieb ihnen die Hoffnungslosigkeit ihrer Lage nicht verborgen. Sie sahen sich an und ließen dann die Waffen zu Boden fallen.
    Ich befahl ihnen, hintereinander Aufstellung zu nehmen und sich dann hinzuknien. Unterdessen eilten die Männer aus Eearnford zu ihren Frauen, lösten ihnen die Fesseln und nahmen sie in die Arme. Nicht einmal eine Stunde zuvor hatten sie noch befürchtet, ihre Lieben vielleicht nie wiederzusehen, und nun waren sie wieder mit ihnen vereint. Ich konnte ihre Erleichtung mehr als nachempfinden.
    Pons wies mit dem Kopf auf die Männer, die sich ergeben hatten. »Und was machen wir mit denen da?«
    Ich begutachtete die Männer der Reihe nach, jeden einzelnen. Dass sie Angst hatten, war unschwer zu erkennen. Trotzdem: Die Halunken hatten gerade erst mehrere von meinen Männern ins Jenseits befördert. Warum sollte ich ihnen gegenüber Gnade walten lassen?
    »Die überlasst ihr am besten mir«, sagte ich. Ich nahm vor den Walisern Aufstellung und fragte: »Spricht einer von euch Französisch?«
    Zunächst gab keiner von ihnen Antwort. Als ich es schon mit meinen bescheidenen Englischkenntnissen versuchen wollte, fing einer von ihnen stockend an zu sprechen. Ein Junge fast noch, ungefähr so alt wie Lyfing, ein schmaler Bursche mit strähnigem Haar. Wahrscheinlich hatte er zum ersten Mal an einem derartigen
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