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Die Ritter des Nordens

Die Ritter des Nordens

Titel: Die Ritter des Nordens
Autoren: James Aitcheson
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Nasenschutz bequem saß.
    Wir waren noch rund zwanzig Schritte von den Feinden entfernt, eine Distanz, die wir binnen weniger Sekunden überwinden mussten. Trotzdem zweifelte ich nicht daran, dass wir die Waliser überrumpeln konnten, da sie erst aufspringen und ihre Waffen aufheben mussten, bevor sie sich gegen uns zur Wehr setzen konnten. Also brauchten wir bloß auf einen Augenblick zu warten, in dem sie abgelenkt waren …
    »Hild«, sagte Lyfing plötzlich, der direkt hinter mir stand. Er war der Sohn des Müllers und ungefähr fünfzehn Jahre alt. Er hatte strohblondes Haar und machte häufig einen bedrückten Eindruck. Er hatte sich bereits voll aufgerichtet, da er wohl jeden Augenblick mit dem Befehl zum Angriff rechnete. Ich zog ihn mit einer Hand wieder in Deckung, während ich ihm mit der anderen den Mund zuhielt.
    »Ruhig«, zischte ich. »Jetzt noch nicht.«
    Anfangs widersetzte er sich, doch dann gab er seinen Widerstand auf, da ich ohnehin stärker war als er. Ædda flüsterte dem Jungen etwas ins Ohr – erklärte ihm offenbar, was ich gesagt hatte. Währenddessen beobachtete ich wieder die Männer drüben auf der Lichtung, hoffte, dass sie uns nicht gehört hatten. Jetzt erst begriff ich, was den Jungen so beunruhigt hatte. Einer der Waliser, ein rothaariger Kerl, war vom Feuer aufgestanden und zu den Frauen gegangen, die im Kreis am Boden saßen. Sein Hauptinteresse galt einer jungen Frau, die er nötigte, sich vom Boden zu erheben. Das also war Hild. Jetzt erkannte ich sie ebenfalls, weil ich sie daheim in Earnford schon häufiger in Lyfings Begleitung gesehen hatte. Ihr Haar war offen, und sie schrie und trat immer wieder mit einem Fuß nach dem Kerl. Was den jedoch bloß zu amüsieren schien, denn er hatte das Gesicht zu einem breiten Grinsen verzogen. Dann stürzte das Mädchen vor ihm auf die Knie, und er verpasste ihr eine schallende Ohrfeige. Wieder musste ich den wutschnaubenden Jungen mit aller Macht zurückhalten.
    Eine der älteren Frauen wollte Hild zur Hilfe eilen und stürzte sich auf den rothaarigen Kerl, obwohl sie gefesselt war. Sie versuchte ihn offenbar zu beißen, doch er stieß sie bloß achtlos beiseite, und sie fiel mit dem Gesicht voraus zu Boden, was die anderen Männer, die aufgestanden und herangekommen waren, mit lautem Gelächter quittierten. Plötzlich brüllten und schrien alle durcheinander und verspotteten die arme Frau, als ginge es um ein Wettspiel. Hild lag wild strampelnd auf dem Rücken und versuchte sich wegzurollen. Doch der rothaarige Kerl versetzte ihr einen Tritt in die Seite, und sie krümmte sich zusammen.
    »Hild«, platzte es plötzlich wieder aus Lyfing heraus, und er riss sich von mir los und stürmte einfach los. »Hild!«
    »Lyfing …«, rief ich, doch es war schon zu spät. Ich sprang fluchend auf und zog laut klirrend das Schwert aus der Scheide. »Vorwärts!«, brüllte ich.
    So brachen wir wie ein Mann aus dem Dickicht hervor: Engländer und Franzosen, die hier ausnahmsweise einmal gemeinsam kämpften: mit Speeren, Messern und Klingen, die in der Abendsonne aufblitzten.
    »Tötet sie«, brüllte ich. »Tötet sie!«
    Die Entführer starrten uns mit weit aufgerissenen Augen entgegen, und ich empfand plötzlich eine unbändige Freude, wusste ich doch, dass wir hier kurzen Prozess machen würden. Dann stand ich plötzlich vor ihrem Anführer: dem Mann mit der Axt, der völlig vergaß, sich zu bewegen oder nach der Waffe zu greifen, so verblüfft war er. Ich rammte ihm das Schwert in den Leib, und bevor er recht begriffen hatte, wie ihm geschah, war er schon tot. Vorne in seiner Brust klaffte eine tiefe Wunde, und sofort verfärbte sich das Gras ringsum leuchtend rot. Noch während ich ihm das Schwert aus dem Leib zog, wirbelte ich herum und verpasste einem anderen Kerl, der sich gerade auf mich stürzen wollte, einen Hieb gegen die Schläfe. Der Mann stürzte mit einem Schrei zu Boden.
    Mittlerweile waren die übrigen Waliser aufgesprungen und versuchten ihre Waffen aufzuheben, doch es war zu spät. Ich war plötzlich die Ruhe selbst. Jeder Schlag, jeder Stoß, alles, was ich in unzähligen Stunden eingeübt hatte, geschah wie von selbst. Gerade wollte sich wieder ein Kerl mit dem Mut der Verzweiflung auf mich stürzen, doch ich wich ihm aus und verpasste ihm eine Rückhand, die ihn mit voller Wucht an Schultern und Nacken erwischte. Ringsum ein wildes Gemetzel. Schwerter und Speere blitzten auf. Eisen traf klirrend auf Eisen, in der Luft der
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