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Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Reliquienjägerin: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Sabine Martin
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»Meinetwegen«, sagte er dann. »Ich habe es nicht eilig. Du aber schon, oder? Also rasch! Auf den Wagen mit dir! Die Stadttore werden gleich geschlossen.« Er reichte ihr eine Gugel. »Und zieh das über. Muss ja nicht gleich jeder sehen, wer da mit mir auf dem Wagen sitzt.«
    Rebekka gehorchte, und kurz darauf rollten sie auf das Rödertor zu. Die Wachen griffen bereits zu den schweren Balken, die das Tor für die Nacht verriegeln würden.
    »Haltet ein!«, rief Mosbach ihnen zu, als das Fuhrwerk vorgefahren war.
    Die Wachen drehten sich um, erkannten den vornehmen Herrn und verneigten sich. »Ihr seid spät dran, edler Herr Mosbach«, sagte einer der Männer. »Wenn Ihr jetzt noch herausfahrt, müsst Ihr die Nacht im Freien verbringen.«
    Mosbach seufzte und hob in gespielter Verzweiflung die Schultern. »Was hilft es? Dringende Geschäfte auf meinem Gut. Sie dulden keinen Aufschub. Also bitte, lasst mich und meine Magd ausfahren, seid so gut, Hauptmann.«
    Rebekka senkte den Kopf so tief, dass die Wachen unmöglich ihr Gesicht erkennen konnten.
    »Dann werdet Ihr und Eure Magd wohl auf dem Hof nächtigen müssen.« Der Hauptmann zwinkerte anzüglich. »Eine angenehme Nachtruhe wünsche ich, Herr!« Er gab den übrigen Wachmännern ein Zeichen, das Tor noch einmal zu öffnen.
    Mosbach schnalzte mit der Zunge, der Gaul setzte sich wieder in Bewegung, und der Wagen rollte aus der Stadt. Kaum waren sie auf der Landstraße, ließ Mosbach das Tier antraben. Das Tageslicht war nahezu verloschen, doch der fast volle Mond schien hell, und die Straße war breit und gut befestigt, sodass die nächtliche Fahrt nicht allzu gefährlich war.
    Rebekka zog den feuchten Umhang enger um ihre Schultern. Der Winter nahte, letzte Woche hatten sie Sukkot gefeiert, das Fest der Laubhütten. Der Monat Tischri neigte sich dem Ende zu, ein sicheres Zeichen, dass die dunkle Jahreszeit endgültig angebrochen war. Verstohlen blickte sie zu dem Mann, in dessen Hand ihr Leben lag. Hermo Mosbach starrte missmutig geradeaus.
    »Fahren wir die Nacht durch bis Nürnberg?«, wagte Rebekka schließlich zu fragen. In der Stadt, die etwa zwei Tagesmärsche östlich von Rothenburg lag, wartete ein christlicher Kaufmann darauf, Rebekka nach Prag mitzunehmen. Im Gegensatz zu Mosbach wusste er jedoch nicht, dass sie auf der Flucht war.
    Mosbach sah sie lange an, bevor er sprach. »Nein, in einem durch geht das nicht. Das Pferd muss sich erholen. Außerdem können wir nur so lange weiterfahren, wie der Mond hoch genug steht. Danach müssen wir bis Sonnenaufgang rasten.«
    Rebekka fröstelte. Rasten! Mitten in der Nacht mit einem fremden Mann im Wald das Lager aufschlagen! Ob ihr Vater das gewusst hatte? Vertraute er dem Christen so sehr? Oder war es ihm am Ende gleich, was mit ihr geschah, jetzt, wo sie nicht mehr seine Tochter war?
    Schweigend fuhren sie weiter. Als der Mond hinter den Baumwipfeln verschwand, lenkte Mosbach den Wagen auf ein kleines Stück Wiese am Rand der Landstraße. Rebekka, die irgendwann vor Erschöpfung eingenickt war, erwachte von dem unvermittelten Ruckeln auf dem unebenen Untergrund und blickte sich verwirrt um.
    »Hier rasten wir, bis es hell wird«, erklärte Mosbach.
    Rebekka nickte stumm. Als der Wagen hielt, stieg sie mit steifen Beinen hinunter. Das Gras glitzerte feucht im Dämmerlicht. Eine kalte Brise fuhr ihr unter das Kleid. Sie blickte zu dem Gefährt. Bisher hatte sie sich nicht für die Ladung interessiert, doch nun wollte sie wissen, ob zwischen den Fässern und Ballen auf der Ladefläche vielleicht ein trockenes Plätzchen war, wo sie sich ausstrecken konnte.
    Plötzlich stand Mosbach dicht hinter ihr. »Wie wäre es jetzt mit der Belohnung?«, fragte er mit rauer Stimme. »Schließlich hab ich deinetwegen ein lustiges Schauspiel verpasst.«
    Rebekka drehte sich um. Erst begriff sie nicht, doch dann dämmerte ihr, was für ein Schauspiel Mosbach meinte. Die Hatz auf die Juden, denen man die Schuld an dem Schwarzen Tod gab, der im ganzen Reich wütete und bereits Tausende dahingerafft hatte. Rothenburg war bisher verschont geblieben, dennoch hatte es in den letzten Wochen immer wieder Übergriffe gegeben. Erst wenige Tage zuvor hatten einige junge Männer Simon ben David halb totgeschlagen, den jüdischen Schlachter, bei dem die Christen gewöhnlich die Teile des Fleisches kauften, die die Juden selbst nicht essen durften. Er würde die Teile anspucken, bevor er sie den Christen feilbot, hatten sie behauptet, und
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