Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Reliquie von Buchhorn

Die Reliquie von Buchhorn

Titel: Die Reliquie von Buchhorn
Autoren: Birgit Erwin / Ulrich Buchhorn
Vom Netzwerk:
erhält.«
     
    Wulfhard ging in der Kammer, die man ihm im Gästehaus zugewiesen hatte, auf und ab. Die Sonne war längst untergegangen, und noch immer hatte er keine Nachricht von Eckhard. Schließlich hielt er es in der frostigen, mönchisch eingerichteten Zelle nicht mehr aus und trat hinaus in die kalte Nachtluft. Vom Kloster her klangen die monotonen Lobgesänge der Mönche. Die Mauern ragten stumm und dunkel vor ihm auf. Wulfhard legte den Kopf in den Nacken und betrachtete den klaren Sternenhimmel, der ihm wie ein letzter Hauch von Freiheit vorkam. »Wie kannst du hier leben, Eckhard?«, flüsterte er in den Nachtwind. »Ich würde nach drei Tagen verrückt. Ach, Unsinn, ich habe jetzt schon das Gefühl zu ersticken. Ich muss hier raus!«
    »Bleib über Nacht. Die Wege sind nicht sicher!«
    Wulfhard wirbelte zu der körperlosen Stimme herum. Er packte zu und fühlte den rauen Stoff einer Kutte in seiner Faust.
    »Die Gefahr, von der ich sprach, bin nicht ich. Ich bin Bruder Matthias. Du kannst mich ruhig loslassen.« Milde Belustigung schwang in der Stimme des alten Mannes.
    Wulfhard war dankbar für die Dunkelheit, die sein Gesicht verbarg. Er lockerte seinen Griff und trat einen Schritt zurück. »Verzeiht«, murmelte er. Ihm fiel auf, dass die Gesänge der Mönche verstummt waren. Die Nacht war totenstill.
    In der Dunkelheit strich Matthias seine Kutte glatt. Sein Lachen klang belustigt, aber nicht spöttisch. »Erst gehst du meinem Gemüse ans Leben, dann erschreckst du mich fast zu Tode. Du bist ein gefährlicher Mann. Ich bin hier, weil Eckhard vom Abt keine Erlaubnis erhalten hat, noch einmal mit dir zu sprechen.« Er hob die Hand, als Wulfhard den Mund öffnete. »Über dein Anliegen ist noch keine Entscheidung gefallen.«
    »Sicher?«, fragte Wulfhard und ballte die Fäuste. »Ich meine, wenn Eckhard nicht einmal mit mir sprechen darf.«
    »Und dumm bist du auch nicht«, bemerkte Matthias und nickte versonnen. »Du hast recht, der Abt mag dich jetzt noch hinhalten, aber er wird Eckhard nicht gehen lassen.«
    Wulfhard stöhnte auf. »Dann werden in Buchhorn sehr hässliche Dinge passieren. Ich hätte nicht gedacht, dass Eckhard mich im Stich lässt.«
    »Der Abt legt großen Wert auf die Einhaltung der Ordensregeln«, sagte Matthias tonlos. »Auch Eckhard muss sich ihnen fügen. Vielleicht gerade er. Derzeit stürzt er sich in die Astronomie und Philosophie, aber tief in seinem Herzen sehnt er sich nach den Zeiten an Salomos Seite und den Freiheiten, die er damals genoss. Das weiß auch der Abt, und darum ist er zu Eckhard vielleicht strenger als zu anderen. Dein Erscheinen rührt an alte Wunden. Lass Eckhard seinen Frieden!«
    »Dann bin ich tot«, zischte Wulfhard verbissen. Er ballte die Faust noch fester. Schmerz durchzuckte seine alten Verletzungen. »Oder sie«, flüsterte er.
    Matthias blieb stehen, ein schwarzweißer Schatten in der sternklaren Nacht. »Vertrau auf Gott. Übe dich in Gehorsam und Demut, und er wird dir helfen.« Als Wulfhard trotzig schwieg, seufzte er leise. »Ich habe dir etwas zu essen
hingestellt. Stärke dich und schlaf! Ich wünsche dir eine gute Reise, wenn wir uns morgen nicht mehr sehen sollten. Und denk immer daran, wenn du unschuldig bist, brauchst du Eckhard nicht.« Aufmunternd drückte er Wulfhards Arm und kehrte lautlos ins Kloster zurück.
    Wulfhard sah ihm hilflos nach. »Gehorsam und Demut? Was weißt du denn, wie es in der Welt zugeht, alter Mann. Verdammt, ich bin tot. Und wenn ich wirklich meine Unschuld beweisen kann, werden sie einen neuen Sündenbock suchen. Und die Buchhorner schauen nicht weit. Verdammt!« Er bekreuzigte sich mit einem Blick zu den Sternen. »Nichts für ungut, Herr.« Die Nacht war so still, dass es Wulfhard beinahe unheimlich vorkam. Buchhorn kam nie ganz zur Ruhe, aber hier herrschte ein Frieden wie über einem Gräberfeld. Wulfhard sah sich um, um sich in der Dunkelheit zu orientieren, als ihn jemand am Arm packte.
    »Seid Ihr der Mann aus Bregenz?«
    Diesmal beherrschte sich Wulfhard. »Wer will das wissen?«
    »Das tut nichts zur Sache. Kommt Ihr aus Bregenz?«
    Wulfhard kniff die Augen zusammen und versuchte, das Gesicht des Sprechers zu erkennen, doch der Mann hielt sich geschickt im Schatten. »Ich komme schon aus Bregenz. Warum fragt Ihr?«
    »Bringt Ihr Nachricht von Warmund?« Die Stimme klang atemlos und jung.
    Endlich reichte es Wulfhard. Er packte die Kutte des Mönchs und zog ihn aus dem Schatten der Bäume, sodass das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher