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Die Reliquie von Buchhorn

Die Reliquie von Buchhorn

Titel: Die Reliquie von Buchhorn
Autoren: Birgit Erwin / Ulrich Buchhorn
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wenn ich zurück bin und sehe, dass das Pferd des Grafen gut versorgt ist. Haben wir uns verstanden oder soll ich dir deinen dürren Hals brechen?«
    Der Mann stieß ein krächzendes Geräusch aus, und Wulfhard lockerte seinen Griff. Trotz der schlechten Beleuchtung war der Hass in dem hageren Gesicht des Knechtes deutlich zu erkennen. »Such dir einen Gaul aus«, zischte er.
    Wulfhard untersuchte die Pferde flüchtig. Keines davon genügte seinen Ansprüchen, aber er hatte keine Wahl. »Gib mir den Braunen da«, befahl er schließlich, ehe er sich schroff umdrehte, um den Falben zu holen. Als er den Sattel vom Rücken des erschöpften Tieres hob, um ihn dem Braunen aufzulegen, hörte er ein Geräusch hinter sich. Er drehte sich um und sah direkt in die höhnisch funkelnden Augen des Knechtes. Ehe er es verhindern konnte, hatte der Mann seine Hand um Wulfhards Unterarm gekrallt und zerrte ihn hoch. Beide Männer blickten auf das vernarbte Handgelenk, das im spärlichen Licht silbrig schimmerte.
    »Also doch! Im Kerker hast du gesessen, und nur der Teufel kann dich daraus befreit haben. Aber der Teufel holt sich, was ihm zusteht!«
    Wulfhard riss sich los und gab dem Mann einen Stoß. Mit geübten Handgriffen sattelte er den Braunen und zog ihn aus dem Stall, doch die krächzende Stimme des Mannes folgte ihm: »Der Teufel holt sich die seinen, Wulfhard! Du kannst ihm nicht entkommen!«
     
    »Ich werde nie vergessen, wie er als Novize hier ankam.« Bruder Matthias blieb vor einem Apfelbaum stehen und musterte ihn kritisch. Der alte Mönch hatte seit vielen Jahren die Pflege des Klostergartens von St. Gallen inne, und inzwischen waren ihm die Bäume so vertraut wie gute Freunde. »Ich hoffe, er trägt dieses Jahr besser. Wo war ich doch gleich? Ach ja, Salomo. Er war ein stolzer junger Mann von adliger Herkunft und sehr dem Leben zugeneigt.« Matthias lächelte vor sich hin, während er mit dem Finger die kahlen Äste berührte. »Kein Mann, den man leicht vergisst. Du hast ihn gut gekannt, nicht wahr?«
    Eckhard schluckte. Drei Monate war der Fürstbischof jetzt tot, aber die Wunde war frisch wie am ersten Tag. »Er war … außergewöhnlich.«
    »Ja, Abt Salomo war einer von jenen Menschen, die man nicht so leicht vergisst«, wiederholte Matthias mit einem Seitenblick. »Sankt Gallen hat ihm viel zu verdanken. Wir alle haben ihm viel zu verdanken. Ich erinnere mich sehr genau an …«
    »… Weihnachten vor acht Jahren und drei Monaten«, fiel ihm Eckhard schroff ins Wort. »Er hat mit König Konrad gefeiert, mit Spielleuten und allem. Ich erinnere mich noch gut, wie alle ›Sünde‹ geschrien haben. Ihr habt ihn doch nie verstanden!«
    Matthias strich versonnen über die Rinde des Baums. »Du vermisst ihn, nicht wahr, Bruder?«
    Eckhard schwieg. Seine Augen brannten. Er sehnte sich weit weg von der sanften Güte des älteren Mönchs.
    »Er war ein Mensch und hatte Fehler«, sagte Matthias wie zu sich selbst, »aber er hätte einen Bruder in Not nie im Stich gelassen.«
    Eckhard blieb abrupt stehen. »Du übst Kritik am neuen Abt?«
    »Nicht am neuen Abt.«
    »An wem dann?«
    »An dir.«
    Eckhard setzte zu einer hitzigen Entgegnung an, aber der alte Benediktiner ließ ihn nicht zu Wort kommen. »Du weißt, dass wir einen Gast in der Abtei haben, der Hilfe benötigt. Bruder Rodericus …«
    »Und du weißt, was der Abt davon hält, wenn ich eine Meinung äußere«, unterbrach Eckhard ihn heftig. »Mangelnde Demut wirft er mir vor.«
    Matthias lachte leise. »Und hat er damit nicht recht?«
    »Natürlich, schließlich ist er unser Abt«, antwortete Eckhard sarkastisch. »Und deshalb habe ich mich ja auch zu diesem Leben entschlossen. Ein Leben in Demut, um mit mir und meinem Herrn ins Reine zu kommen. Warum lachst du?«
    »Weil ich selten einen Mann gesehen habe, der so sehr gehadert hat wie du, Bruder. Und du langweilst dich.«
    »Ich …«
    »Und du bist zu stolz!«
    Zum ersten Mal senkte Eckhard den Kopf. »Das hat Salomo auch immer gesagt«, gestand er leise. »Ich versuche es. Ich versuche es wirklich, die Welt da draußen hinter mir zu lassen.« Er nickte zu der hüfthohen Mauer hinüber, die den Klostergarten umsäumte. »Aber es ist so schwer.«
    »Vielleicht ist es einfach nicht der Weg, der dir vorgezeichnet ist«, sagte Matthias milde. »Dieser Bruder aus Sankt Michael …« Er legte den Kopf schief und lauschte. »Ist das Hufschlag?«
    Eckhard nickte sehnsüchtig. »Lass uns gehen«, bat er. »Das ist
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