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Die Reliquie von Buchhorn

Die Reliquie von Buchhorn

Titel: Die Reliquie von Buchhorn
Autoren: Birgit Erwin / Ulrich Buchhorn
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Mondlicht auf sein Gesicht fiel. Einen Augenblick lang fühlte Wulfhard sich an eine jüngere Ausgabe von Eckhard erinnert, als er in die schmalen blassen Züge und die dunklen Augen blickte. Der Mönch konnte keine zwanzig Jahre alt sein.
    Wulfhard schüttelte den Kopf. »Jetzt noch einmal ganz von vorn. Wer seid Ihr?«
    »Ich bin Bruder Rodericus. Mich schickt der Propst von Sankt Michael am Neckar.« Er zögerte. »Mich und meinen Mitbruder Warmund.«
    »Und über diesen Warmund soll ich etwas wissen. Wie kommt Ihr denn darauf?«
    »Es wird gemunkelt, dass Ihr beim Abt wart. Bitte, es ist wichtig, dass ich erfahre, was aus ihm geworden ist. Ist er tot?«
    Wulfhard war kurz versucht, sich einen Spaß mit dem jungen Mönch zu machen, doch dann rief er sich zur Ordnung. »Ich habe keine Ahnung, wovon Ihr sprecht, und beim Abt war ich auch nicht.«
    Rodericus wich einen Schritt zurück. »Dann seid Ihr nicht wegen uns hier?«, fragte er betroffen. »Ich dachte, der Abt hätte eine Suche eingeleitet. Ich dachte …« Er fuhr sich über die Schläfen, während er seine Züge unter Kontrolle brachte. »Dann verzeiht, dass ich Euch belästigt habe.«
    »Worum geht es denn?«, erkundigte sich Wulfhard, in dem die Neugier erwachte. »Ihr reist den ganzen Weg vom Neckar, und dann verliert Ihr Euren Freund?«
    Aber Rodericus schüttelte nur den Kopf. »Gott mit Euch!«, wisperte er und verschmolz mit den Schatten der Nacht.
    Wulfhard sah ihm kopfschüttelnd nach. »Die sind alle verrückt. Das macht das Klosterleben. Ich muss zusehen, dass ich hier wegkomme. Auch wenn der Graf mich wahrscheinlich in Stücke reißen wird.«
    Wenig später stand er wieder in seiner Kammer, wo er tatsächlich das versprochene Nachtmahl vorfand. Er stärkte sich mit Brot, Käse und reichlich Dünnbier, ehe er in unruhigen Schlaf fiel.
     
    Wulfhard erwachte, als das erste Rot den Himmel färbte. Durch das kleine Fenster drang schon wieder das Singen der Mönche. Wulfhard überlegte, ob er Matthias’ Worten zum Trotz warten sollte, ob Eckhard ihn nicht doch begleiten würde, aber schließlich entschied er sich dagegen. Wenn er schon nicht mit der Hilfe des Mönches rechnen konnte, wollte er wenigstens den Zorn des Grafen nicht weiter reizen. Er schlang die Reste des Abendbrotes hinunter, holte sein Pferd aus dem Stall, und wenig später ließ er das tief verschneite Kloster von St. Gallen hinter sich.
    Es war früher Nachmittag, als er die Mauern der Oberstadt auf dem Vorberg des Pfänders auftauchen sah. Er schloss die klammen Finger fester um die Zügel und ritt in die Gassen von Bregenz.
    Vor dem Mietstall saß Wulfhard ab. »He, ich bin zurück. Bring mein Pferd heraus, ich hab es eilig!«
    »Ich bin nicht dein Leibeigener«, erklang von drinnen die mürrische Stimme des Pferdeknechts. »Sattle deinen Gaul selber. Er steht hier drin.«
    Wulfhard ballte die Faust. »Dir werd ich Manieren beibringen«, knurrte er und stieß die Türe auf.
    Ein Faustschlag traf ihn ins Gesicht. Ein zweiter Hieb in die Magengrube folgte. Zusammengekrümmt ging Wulfhard zu Boden. Über sich sah er den feixenden Knecht. »Das zahl ich dir heim, du Ratte!«, würgte er hervor. Aber ehe er seine Drohung wahrmachen konnte, wurde er gepackt und auf die Füße gezerrt. Ein zweites Gesicht tauchte verschwommen vor ihm auf. Wulfhard blinzelte. »Eberhard? Mein alter Lebensretter?«, entfuhr es ihm. »Was soll das denn?«
    »Nenn mich nicht so.« Der junge Kriegsknecht verzog angewidert den Mund. »Ich hab wirklich dran geglaubt, dass sogar jemand wie du sich ändern kann, aber das war wohl ein Irrtum. Verdammter Mordhund!«
    Wulfhard hustete.
    Das magere Gesicht des Pferdeknechts legte sich in hämische Falten, während er dienstfertig auf den Falben zeigte. »Und hier ist das Pferd des Grafen. Er hat es gegen den Braunen da eingetauscht. Wahrscheinlich, damit ihm niemand auf die Spur kommt!«
    »Verdammter Lügner!«, brüllte Wulfhard und versuchte, sich aus dem Griff der beiden Männer, die seine Arme gepackt hatten, zu winden.
    Eberhard ignorierte ihn. Er drückte dem Knecht ein paar Münzen in die Hand. »Hier, für deine Mühe!«
    Der Mann überhörte die Ironie. Während er das Geld blitzschnell in seinem fleckigen Hemd verschwinden ließ, verbeugte er sich tief. »Habt Dank, junger Herr. Ich bin dem Grafen stets zu Diensten.« Er beugte sich so dicht zu Wulfhard vor, dass der den fauligen Atem riechen konnte. »Ich werd dem Leuthard sagen, dass er auf sein Geld
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