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Die Reliquie von Buchhorn

Die Reliquie von Buchhorn

Titel: Die Reliquie von Buchhorn
Autoren: Birgit Erwin / Ulrich Buchhorn
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Ich entlasse dich aus meinen Diensten. Ich stelle dir anheim, zu gehen, wohin du willst. Du bist frei.« Seine Stimme verlor sich. »Auch ich werde Buchhorn verlassen.«
    Eckhard horchte auf. »Wie meint Ihr das?«
    »Ich trage mich mit dem Gedanken, meinen Sitz nach Bregenz zu verlegen«, erwiderte Udalrich. »Auch wenn ich nach wie vor der Graf von Buchhorn bin.«
    »Ihr denkt an das Morgen«, lobte der Abt.
    Udalrich fuhr herum. »Morgen, Abt, kehrt meine Frau heim. Sie wird in der Grablege der Buchhorns bestattet werden. Und ich will keinen von euch Kindsräubern dort sehen!« Er schluchzte trocken auf und watete durch den Schnee. Nach ein paar Schritten glitt er aus und drohte das Gleichgewicht zu verlieren, doch ehe ihm jemand zu Hilfe eilen konnte, hatte er sich gefangen.
    Hartmann strich sich über den kahlen Schädel. »Er schaut schon nach vorn. Das ist ein gutes Zeichen.«
    »Ihm wurde das Herz herausgerissen!«, sagte Eckhard mit geballten Fäusten. »Gebe Gott, dass der Herr ihn lehrt, damit weiterzuleben.«
    »Sie war nur eine Frau.«
    Eckhard starrte ihn an. »Gott, wie herzlos seid Ihr!«
    Hartmann hielt dem fassungslosen Blick stand. »Herzlos? Vielleicht. Ich habe unsere Abmachung übrigens nicht vergessen, und ich habe Vorkehrungen getroffen. Du wirst mit Bruder Rodericus nach Sankt Michael reisen. Ein junges Kloster hat vielleicht bessere Verwendung für einen aufrührerischen Geist wie den deinen.« Eckhard verbeugte sich mit zusammengebissenen Zähnen, doch der Abt schien es nicht zu bemerken. »Ich habe mit Hunfried gesprochen. Er wird euren Schutz gewährleisten und dann nach Lorsch weiterreisen.«
    »Danke, ehrwürdiger Vater.«
    Hartmann nickte, ohne auf die Ironie einzugehen. Er schlug das Zeichen des Kreuzes und ließ Eckhard und Wulfhard stehen.
    »Was für ein …«
    Eckhard hob die Hand. »Still, Wulfhard.« Er holte tief Atem.« Und du? Was wirst du jetzt machen?«
    Wulfhard wollte lächeln, aber er stellte fest, dass seine Muskeln ihm noch nicht gehorchten. Er hob die Schultern. »Aus dem Paradies wurde ich ja vertrieben. Keine Ahnung. Irgendwo wird es schon einen Platz für mich geben.«
    »Begleite uns.«
    Wulfhards Gesicht zuckte. »Meint Ihr das ernst?«
    »Warum nicht? Der Abt hat selbst gesagt, dass St. Michael der Ort für aufrührerische Geister ist. Und Righild wird sich über die Begleitung einer weiteren Frau freuen.«
    »Aber ich weiß doch gar nicht, ob …« Wulfhard wurde rot.
    »Sie wird.« Eckhard hob streng den Zeigefinger. »Und du wirst auch. Das garantiere ich dir!«
     
    Eckhard schaute von der Anhöhe des gräflichen Anwesens zum See, der hinter den Baumwipfeln blau und golden schimmerte. Die Berge auf dem jenseitigen Seeufer und mit ihnen St. Gallen schienen wie eine trübe Erinnerung unter grauen Dunstschleiern. Dennoch fühlte Eckhard Trauer, als ihm bewusst wurde, dass dies wahrscheinlich ein Abschied für immer war. Er wandte sich dem Mann zu, der neben ihm stand.
    »Gerald«, sagte er mit belegter Stimme und verstummte.
    Der Schmied schluckte. »Jetzt ist der Moment gekommen. Aber wenn …, wenn du trotzdem je wieder nach Buchhorn kommst, weißt du, dass du immer willkommen sein wirst. Mehr als willkommen. Ich …, Fridrun und ich …«
    »Ich weiß!« Eckhard sah, wie Gerald mit der aufsteigenden Rührung kämpfte, und schloss ihn kurz und herzlich in die Arme. »Ich danke dir, mein Freund. Für alles.«
    »Was werdet Ihr jetzt tun?«, fragte Fridrun. Auch in ihrem Gesicht stand die Wehmut des Abschieds, aber ihre Stimme klang munter.
    Eckhard sah sie an und lächelte. »Ich werde beim Aufbau eines Klosters helfen. Und ich will herausfinden, wie Silvanus auf Rodericus’ Spur gekommen ist. Die Morde sind aufgeklärt, nur dieser eine Umstand macht mir Kopfzerbrechen.«
    »Verrat?«
    Eckhard sah Wulfhard an, der mit dem Falben am Zügel auf die Lichtung kam. »Möglich. Aber das hat Zeit.« Er schaute zu Hunfried, Rodericus und den beiden Frauen hinüber, die in einiger Entfernung warteten. »Zeit«, wiederholte er und straffte sich. »Wir haben keine mehr. Gerald …« Er streckte ein letztes Mal die Hand aus.
    Der Schmied schlug ein. »Leb wohl.«
    Während die beiden eine stumme Botschaft austauschten, stellte sich Wulfhard neben Fridrun.
    Sie sah ihm in die Augen und lachte verlegen. »Eigentlich ist es gut, dass du gehst, Wulfhard. Es ist besser für meinen guten Ruf. Und du hast jetzt eine Frau.« Ihr Kichern wurde heiterer und mädchenhafter.
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