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Die Reise Nach Petuschki

Titel: Die Reise Nach Petuschki
Autoren: Wenedikt Jerofejew
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beginnt. Das ist das Wichtigste. Weil alle andern Sterne dem Untergang geweiht sind, und wenn überhaupt, so flackern sie nur noch mit letzter Kraft. Und selbst wenn sie strahlend leuchten, so sind sie doch keinen Pfifferling wert.
    Ob es dort nun eine Waage geben wird oder nicht, wir Leichtgewichte werden dort schwerer wiegen und den Sieg davontragen. Ich glaube daran fester, als ihr an irgend etwas glaubt. Ich glaube, weiß und bezeuge es der Welt. Doch warum hat man in Petuschki die Straßen nur so verbreitert...?
    Ich entfernte mich von der Tür und sah von einem Haus zum andern, von einem Hauseingang zum andern. Und während sich in mein Gehirn ein Gedanke einschlich, der so schrecklich war, daß man ihn nicht aussprechen kann, und eine Vermutung, die ebenfalls so schrecklich war, daß man sie nicht aussprechen kann, ging und ging ich immer weiter, betrachtete angestrengt jedes Haus und konnte nichts Rechtes erkennen.
    Weine nicht, Jerofejew, weine nicht... Was ist denn? Und warum zitterst du so? Vor Kälte oder wovor? ... Nicht doch ...
    Wenn ich wenigstens zwanzig Schluck Wodka hätte! Sie würden mir zu Herzen steigen, und das Herz wäre immer in der Lage, die Vernunft davon zu überzeugen, daß ich in Petuschki bin. Aber ich hatte keinen Wodka, und so bog ich in eine Gasse ein und fing erneut an zu zittern und zu weinen ...
    Und da begann jene Geschichte, die schrecklicher war als alle, die ich je im Traum gesehen hatte. In dieser Gasse kamen mir vier Gestalten entgegen... Ich erkannte sie sofort. Ich brauche euch wohl nicht zu sagen, wer die vier waren. Ich begann noch mehr zu zittern als vorher, ich verwandelte mich in ein einziges zitterndes Bündel...
    Sie kamen auf mich zu und umzingelten mich.
    Wie könnte ich euch beschreiben, was für Visagen sie hatten?
    Nein, nein, keine Verbrechervisagen, eher sogar umgekehrt. Da war ein Anflug von etwas Klassischem, doch in den Augen — könnt ihr es euch vorstellen? Habt ihr einmal auf der Bahnhofstoilette von Petuschki gesessen? Könnt ihr euch entsinnen, wie dort in der gewaltigen Tiefe, in den runden Öffnungen diese bräunliche Brühe plätschert und funkelt? Genau solche Augen waren das. Und der vierte hatte eine Ähnlichkeit mit... doch ich sage euch später, mit wem er Ähnlichkeit hatte.
    »So, jetzt haben wir dich«, sagte der eine.
    »Was heißt das — ihr habt mich?« Meine Stimme zitterte entsetzlich vor Katzenjammer und Kälteschauern. Sie waren der Meinung, daß sie vor Angst zitterte.
    »Jetzt haben wir dich. Jetzt wirst du nirgends mehr hin-fahren.«
    »Und warum ...?«
    »Darum.«
    »Hört zu . ..«, meine Stimme riß ab, weil in mir jeder einzelne Nerv zitterte, nicht nur die Stimme. Kein Mensch hat Selbstvertrauen in der Nacht, ich meine, in einer kalten Nacht. Der Apostel hat Christus verraten, ehe denn der Hahn dreimal krähte. Doch nein, anders: der Apostel hat Christus dreimal verraten, ehe denn der Hahn krähte. Ich weiß, warum er ihn verraten hat. Weil er vor Kälte zitterte, ja. Und dabei hatte er sich noch am Feuer wärmen können, zusammen mit den andern. Doch ich hatte kein Feuer und kam von einer einwöchigen Sauftour. Hätte er mich jetzt versucht, hätte ich ihn siebenmal siebzigmal verraten, und öfter ...
    »Hört zu«, sagte ich, so gut ich konnte, »laßt mich... was wollt ihr von mir...? Ich habe doch nur mein Mädchen verpaßt... Ich bin gefahren und gefahren und nicht angekommen ... Ich habe verschlafen, und man hat mir mein Köfferchen gestohlen, während ich schlief... es waren nur ein paar Kleinigkeiten drin, aber trotzdem, schade um die ›Kornblume‹
    »Was für eine Kornblume?« fragt einer von ihnen. »Na ja, Pralinen, Pralinen »Kornblume* ... Und zweihundert Gramm Nüsse, die wollte ich dem Baby bringen. Ich habe sie ihm versprochen, weil er einen Buchstaben gut kennt... Aber das ist nebensächlich ... Sobald es hell wird, fahre ich wieder ... zwar ohne Geld und ohne Geschenke, aber sie werden mich trotzdem aufnehmen. Sie werden bestimmt kein Wort sagen, sogar umgekehrt
    Alle vier sahen mich unverwandt an, und alle vier dachten wahrscheinlich dasselbe: dieser feige, niederträchtige Bastard. Sollten sie denken, was sie wollten, wenn sie mich nur freiließen ...! Wo, in welchen Zeitungen hatte ich diese Visagen schon gesehen?
    »Ich will wieder nach Petuschki...«
    »Mit Petuschki ist nichts mehr!«
    »Nun ... dann eben nicht, dann will ich zum Kursker Bahnhof
    »Mit Bahnhof ist es vorbei für dich!«
    »Und
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