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Die Regenbogentruppe (German Edition)

Die Regenbogentruppe (German Edition)

Titel: Die Regenbogentruppe (German Edition)
Autoren: Andrea Hirata
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Sie lebten so primitiv wie die Malaien in lange zurückliegenden Zeiten. Die Lemuren, die Totengeister, waren wiederauferstanden. Mahars Geschichte von der Weissagung der Höhlenlemuren hatte sich bewahrheitet.
    An ein hartes Leben nicht gewöhnt, ganz zu schweigen von der Belastung durch die eigenen Kinder, die nicht bereit waren, auf ihren bisherigen hohen Lebensstandard zu verzichten, während sie an teuren privaten Universitäten in Jakarta studierten, waren die ehemals leitenden Angestellten einem Dauerstress ausgesetzt. Nicht selten führte der Leidensdruck zu Schlaganfällen, Herzoperationen oder plötzlichem Tod. Ihre Kinder mussten Schulausbildung oder Studium abbrechen, Schuldenberge häuften sich auf. Sie erstickten an ihren silbernen Löffeln.
    Es gab ehemalige Gedongbewohner, die sich mit der Realität nicht abfinden konnten und sich in einem Konstrukt der Selbsttäuschung häuslich einrichteten. Sie liefen weiter mit falschem Stolz umher, kehrten Macht und Reichtum heraus, obwohl ihnen nichts geblieben war. Sie wurden zur Zielscheibe des Kaffeebudenspotts, und viele von ihnen endeten im Zaal Batu , im Irrenhaus auf Bangka.
    Die Schule der Bergbaugesellschaft machte einen erbärmlichen Eindruck, von ihrer früheren Pracht war nichts mehr zu spüren. Ein Teil der Schüler war zur staatlichen Schule nach Tanjung Pandan übergewechselt. Die meisten Schüler jedoch hatten mit ihren Familien Belitung verlassen. Sie waren in ihre Heimatorte geflohen. Was kümmerte es sie? Belitung war nicht ihre Heimat. Sollte die Insel doch eine Geisterinsel werden! Sollten die Einheimischen doch allein die Folgen tragen!
    Das Gedong war verlassen. Die Villen im viktorianischen Stil, dieses künstliche Märchenreich, verwandelten sich im Nu in eine unheimliche Geisterlandschaft. Nachts war die Gegend nun stockfinster, die Waringin-Bäume reckten ihre weit ausladenden Äste über die Hauptstraße, als wollten sie jeden verschlingen, der dort entlangkam. Die künstlichen Teiche wurden von Waranen in Besitz genommen.
    1998 verlangte das indonesische Volk eine politische Reform. Jakarta wurde von Unruhen erschüttert. Mutige Studenten stürzten Präsident Suharto, der zweiunddreißig Jahre lang geherrscht hatte. Damit war das Regime der Neuen Ordnung beendet.
    Die Bewohner von Belitung, die bisher das Gefühl gehabt hatten, das Gedong würde vom Regime der Neuen Ordnung beschützt, merkten rasch, dass sich die Lage gewandelt hatte. Angeregt durch die Ereignisse in Jakarta, stürmten eines Abends Tausende das Gedong. Das Gelände wurde zum Schlachtfeld.
    Die Einheimischen, die von ihrem Besitz vertrieben worden waren, denen man das Gemeindeland geraubt hatte, die Dutzende von Jahren alle Ungerechtigkeiten und Demütigungen hingenommen hatten, plünderten nun zur Vergeltung die viktorianischen Luxusvillen. Die zurückgebliebenen Spezialeinheiten der Polizei flohen Hals über Kopf. Die Leute rissen Wände nieder, deckten Dächer ab, fingen Gänse, rissen Zaunpfähle aus, schleppten Türen fort, demontierten Türrahmen, zerschlugen alle Fenster, brachen Fliesen auf und nahmen Gardinen und Vorhänge mit.
    Die Warnschilder »Zutritt für Unbefugte verboten« wurden abmontiert und wanderten als Sammlerstücke in die Häuser der Plünderer. Einige ließen sich triumphierend auf einem Chesterfield-Sofa nieder und machten an den kostbaren Terrakottatischen Picknick, als gehörten sie zum »Stab«, bevor sie ihr Zerstörungswerk fortsetzten.
    Die Villa des Generaldirektors der Bergbaugesellschaft, die sich prunkvoll wie ein Schloss auf dem Samak-Hügel erhoben hatte mit einem spektakulären Blick auf das Chinesische Meer, wurde bis auf die Grundmauern zerstört. Einer der größten Stromgeneratoren in Südostasien ging in Flammen auf.
    Das berühmte Krankenhaus der Bergbaugesellschaft wurde vollständig zertrümmert. Medikamente lagen auf der Straße verstreut, Rollstühle und Betten wurden weggeschleppt.
    Die Plünderung zog sich über Tage hin. Telefonkabel wurden eingerollt, Stromleitungen, die noch unter Strom standen, kurzerhand gekappt, sodass ein Funkenfeuerwerk entstand wie bei Asteroiden, die in der Atmosphäre verglühen. Baggerschiffe wurden zerlegt und als Altmetall verkauft. Eine mächtige, arrogante Dynastie lag am Boden.
    Die Einheimischen, die nun frei waren, auf dem ererbten Grund und Boden nach Zinn zu graben, waren in der Lage, Belitungs Wirtschaft wieder in Gang zu setzen. Sie buddelten Zinn hinter ihrem Haus aus und
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