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Die rechte Hand Gottes

Die rechte Hand Gottes

Titel: Die rechte Hand Gottes
Autoren: Michel Folco
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der Vorratskammer und ließ Wasser über sein malträtiertes Auge laufen, als die Dienstmagd in die Küche kam. Da sie den Koch nirgends sah, nahm sie die Schüssel mit der Krebssuppe, um sie der Herrschaft zu servieren, die schon ungeduldig im Speisezimmer wartete.
    Kurze Zeit später stürmte Abel Crespiaget mit weit aufgerissenen Augen herein. Sein Gaumen, die Kehle und die Speiseröhre brannten wie Feuer, und er schwang einen großen Knüppel. Galine, dem das unbegreiflich war, flüchtete sich, so schnell er konnte, auf den Gang, dann die Treppen hinauf, in den Hof, um den Brunnen herum und schließlich auf die Rue Magne, wo der Goldschmied ihn zu fassen kriegte und tüchtig verprügelte.
    »Aiiii! Aiijaiii! Was habe ich getan, guter Meister, daß Ihr mich so hernehmt?«
    »Das wagst du noch zu fragen, du Giftmischer?« brüllte Crespiaget und verdoppelte die Zahl seiner Knüppelschläge. Er schlug so lange zu, bis Galine sich nicht mehr regte.
     
    Später trugen ihn ein paar mitleidige Seelen zu seinem Lager, wo er mehrere Tage liegenblieb, bevor er seinen Dienst wieder aufnehmen konnte. Was nun die überlebenden Drohnen betrifft, so verbrachten sie ihren Tag damit, gemütlich auf den Blumen am Ufer des Dourdou herumzufaulenzen. Die Abendkühle und der Hunger hatten sie die Ereignise des Vormittags vergessen lassen, und so kehrten sie zum Bienenstock zurück, wo man schon auf sie wartete, um ihnen den Garaus zu machen. So erging es allen Drohnen bis hin zur letzten.
    Am Sonntag nach Mariä Himmelfahrt brachte Marguerite Crespiaget, die Gemahlin des Goldschmiedemeisters, ihr sechstes Kind zur Welt. Nach fünf Mädchen und mehreren Wallfahrten zur schwarzen Mutter Gottes von Rocamadour und zum heiligen Präputium von Romégoux war dieses Kind endlich ein Junge.
    Glücksstrahlend gab ihm Maître Crespiaget den Vornamen Désiré und ließ ihn unter großem Pomp in der Kirche Saint-Laurent taufen. Das Kind wurde dann der Frau des Fuhrmanns Mazard anvertraut. Sie hatte als Amme einen guten Ruf und lebte in der Nähe des Flusses, in der Unterstadt.
    Am darauffolgenden Sonntag, während des Hochamtes, drang der Koch Pierre Galine bei der Amme Mazard ein und erwürgte sie. Nachdem er ihren Leichnam in dem Häuschen, in dem gewöhnlich die Kastanien getrocknet wurden, versteckt hatte, stürzte er sich auf den kleinen Désiré, stach ihn ab und ließ ihn ordentlich über dem steinernen Becken ausbluten. Dann trennte er ihm den Kopf ab, steckte die Teile in einen Sack und kehrte in seine Küche zurück, um das Fleisch durchzudrehen. Er machte daraus eine Farce für seine Liebesäpfel - und achtete diesmal darauf, daß er sie nicht zu stark würzte.
     
    Wie jeden Sonntag hatte sich die Familie Crespiaget vollzählig versammelt, um gemeinsam zu speisen. Wenn die Platten leer waren, ließ man den nächsten Gang auftragen. So wurde Gericht für Gericht, unter anderem auch die Liebesäpfel, verspeist. Galine servierte ihnen zum Abschluß den Kopf des kleinen Désiré, der kunstvoll auf einem Bett aus grünem Salat angerichtet worden war, in den Ohren und der Nase steckten zur Verzierung Petersilienbüschel, und die Augen wurden mit Zahnstochern offen gehalten.
    Mit sanfter Stimme erklärte Pierre Galine, daß man, wolle man die Überreste des Kindes wiederbekommen, wohl etwas einnehmen müsse, um sich den Magen nach einer der beiden Seiten zu entleeren. Dann machte er sich davon, doch bevor er verschwand, rief er von der Treppe aus:
    » Die Rache ist ein Gericht, das man essen muß, solange es heiß ist.«
    Er war schon auf der Straße, als er die durchdringenden Schreie von Marguerite Crespiaget vernahm, die soeben den Sinn dieses Satzes begriffen hatte.
    Der Prévôt Henri de Foulques, königlicher Amtsträger und Richter der Wache und der Gendarmerie, hatte gerade in den Gemächern im ersten Stock seines Amtsgebäudes ein Hühnerfrikassee mit Wurzelgemüse verspeist, als der Goldschmiedemeister aus der Rue Magne darum bat, vorgelassen zu werden.
    »Allmächtiger, Maître Crespiaget, was ist Euch widerfahren? Man könnte meinen, Ihr seid dem Leibhaftigen begegnet.«
    »Schlimmer, edler Prévôt, viel schlimmer...«
     
    Ohne Perücke, völlig verstört und ganz außer Atem, weil er so schnell gelaufen war, berichtete der Goldschmied mit abgehackter Stimme. Als er fertig war, sah der Prévôt mit Grausen auf seinen vollen Wanst:
    »Habe ich richtig verstanden? Er hat Euch Euren Sohn zum Essen vorgesetzt?!?«
    »Die Farce in
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