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Die rechte Hand Gottes

Die rechte Hand Gottes

Titel: Die rechte Hand Gottes
Autoren: Michel Folco
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sind, und durchbohrt ihnen die Zunge! «
    Dann kam man wieder auf das ursprüngliche Problem zu sprechen: Wo sollte man so schnell einen Henker herbekommen?
    Abt François schlug vor, einen Freiwilligen zu suchen.
     
    »Wenn Ihr eine Prämie von hundert Livres aussetzt, werdet Ihr lediglich die Qual der Wahl haben.«
    » Hundert Livres? Gemach, Abt, gemach«, protestierte der Baron. »Ich habe eine bessere Idee. Überlassen wir doch Maître Crespiaget, dem Vater des Opfers, die Arbeit. Ich mache jede Wette, daß er ihn uns hübsch zerschmettern wird ... und noch dazu umsonst«, fügte er mit einem aufmunternden Lächeln hinzu, das seine vielen schlechten Zähne zum Vorschein brachte.
    Der Seneschall war empört.
    »Das ist doch nicht Euer Ernst! Das wäre Barbarei! «
    »Mit Verlaub, edler Baron«, schaltete sich Richter Cressayet ein, »das wäre Mord. Nur ein ordentlicher Scharfrichter darf töten, ohne sich den gerechten Zorn Gottes und der Gesetze zuzuziehen.«
     
    Der Baron brummelte zwar vor sich hin, stimmte aber schließlich doch der Lösung mit dem Freiwilligen zu, allerdings nur unter der Bedingung, daß die Prämie auf fünfzig Livres gesenkt werde.
    Duvalier, der Beisitzer des Richters und gleichzeitig sein Schwiegersohn, verfaßte eine »öffentliche Bekanntmachung«, auf die der Baron sein Siegel setzte. Man übergab sie daraufhin dem Ausrufer, der in Begleitung eines Trommlers sofort aufbrach und sie auf zwei Plätzen in Bellerocaille und an den wichtigsten Wegkreuzungen verlas.
    Diejenigen, die von weit her kamen und zusehen mußten, wie ihre Geldbeutel von Tag zu Tag flacher wurden, faßten diesen Aufruf als ein erneutes Vertagen der Strafe auf. Wenn man nun diejenigen dazuzählte, die jede Stunde des Aufschubs als ein Übermaß an Güte dem verabscheuungswürdigen Koch gegenüber werteten, waren es mittlerweile sehr viele unzufriedene Bürger, die auf den Straßen zusammenkamen und lautstark die Vollstreckung des Urteils forderten. Seltsamerweise meldete sich keiner von diesen Ungeduldigen freiwillig.
    Tags darauf, als Prévôt Henri de Foulques die Zugbrücke überquerte und den unteren Hof der Burg betrat, durchbohrte der Kerkermeister Bertrand Beaulouis gerade die Zungen von fünf Verleumdern, die am Tag zuvor festgenommen worden waren. Seine Söhne Bredin, Jacquot und Lucien gingen ihm dabei zur Hand.
    Der Kerkermeister - ein Mann von etwa fünfzig Jahren mit dem Beinamen »der Schließer« -, der nur mit einer fuchsroten Lederschürze über dem bloßen Oberkörper seiner Arbeit nachging, hielt inne, um ihn zu begrüßen.
     
    »Ich bitte Euch, Maître Beaulouis, fahrt fort«, winkte der Beamte der Gerichtsbarkeit ab und setzte sich in der Säulenhalle an die äußere Kurtine, um im Schatten zu warten.
    Unter den Lästermäulern waren auch zwei Frauen. Die jüngere, eine Wäscherin aus der Unterstadt, hatte überall herumerzählt, daß Galine in Wahrheit Marguerites Geliebter gewesen, also der Vater des kleinen Désiré sei. Wenn er ihn umgebracht habe, dann deshalb, weil sein gehörnter Meister, der verzweifelt darüber war, daß er keinen männlichen Erben hatte, ihm das Kind weggenommen habe.
    Da sie den Mund nicht aufmachen wollte, mußte man sie mit dem Griff eines Messers dazu zwingen, dann mit einer Zange darin herumstochern, um die Zunge herauszuholen und sie mit einem Schürhaken, der in einem Kohlebecken bis zum Glühen erhitzt worden war, zu durchstechen.
    »Wenn wir euch noch einmal bei diesem Vergehen ertappen, werden wir euch die Zungen abschneiden«, versprach der Prévôt den Verleumdern, als man sie freiließ.
    Beaulouis überließ es seinen Söhnen, die Folterwerkzeuge wegzuräumen, und ging zu Foulques.
    »Was kann ich für Euch tun, edler Prévôt?
    Foulques sagte es ihm. Der Kerkermeister erstarrte und wurde puterrot.
    »Unmöglich, edler Prévôt, unmöglich. Das könnt Ihr nicht von mir verlangen.«
    »Ich verstehe Eure ablehnende Haltung nicht. Ihr seid doch Folterknecht bei Gericht.«
    »Was Ihr auch davon halten mögt, edler Prévôt, foltern ist etwas anderes als jemanden umbringen! jemandem die Knochen brechen, ihn auspeitschen, brandmarken, verbrühen, verstümmeln wie gerade eben oder jemanden der ordentlichen oder der außerordentlichen Folter unterziehen, das ist noch lange nicht das gleiche wie jemanden bei lebendigem Leibe aufs Rad zu flechten, weit gefehlt! «
    Foulques versuchte ihn umzustimmen, indem er ihm versprach, den Baron zu überzeugen, die Prämie
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