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Die rechte Hand Gottes

Die rechte Hand Gottes

Titel: Die rechte Hand Gottes
Autoren: Michel Folco
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den Liebesäpfeln, edler Prévôt. Nur sein Köpfchen ist noch übriggeblieben ... «
    Die entsetzliche Nachricht verbreitete sich in Windeseile. Man benachrichtigte Baron Raoul Boutefeux, Lehnsherr von Bellerocaille und vierzehnter Träger dieses Namens, der gerade mit einer Kammerzofe seiner Mutter in einem der Burgtürme sein Mittagsschläfchen hielt. Zunächst wollte er gar nicht glauben, daß eine derartige Greueltat in seinem Lehen hatte verübt werden können. Doch dann wurde er sehr zornig, als er erfuhr, daß der Täter entkommen war.
    »Es muß alles unternommen werden, um ihn zu finden! « Bei der Familie Crespiaget hatte der Schmerz seinen Höhepunkt erreicht, und die ersten kamen, um ihr Beileid auszusprechen. Draußen verstopfte ein Strom von Neugierigen die Rue Magne, und die ersten Gerüchte machten bereits die Runde (»Angeblich haben Madame Crespiaget die Liebesäpfel so gemundet, daß sie noch einmal nachgenommen hat.«).
     
    Zu jener Stunde fand der Fuhrmann Mazard nach seiner Rückkehr aus Rodez seine Frau erwürgt in dem Häuschen vor, in dem sie die Kastanien trockneten. Außer sich vor Schmerz hob er sie auf und brachte sie auf den Place du Trou, wo sich das Amtsgebäude des Prévôt befand. Hinter ihm hatte sich eine beachtliche Menschenmenge gesammelt, die ihm bei den Steigungen des Weges behilflich war (einige Gäßchen der Oberstadt waren so abschüssig, daß man an den steilsten Stellen Stufen in den Stein gehauen hatte).
    Als er auf dem großen Platz ankam, hatte eine Kompanie Bogenschützen rund um das Amtsgebäude des Prévôt Stellung bezogen, sie hielten die Bogen schußbereit in der Hand. Vor einem Jahr hatte eine Bauernbande drei Steuereintreiber gehängt und anschließend die Stadt gestürmt. Seit damals stand man jedem Menschenauflauf mißtrauisch gegenüber. Nur das Erscheinen des Prévôt besänftigte etwas die Gemüter.
    »Geht nach Hause, ihr rechtschaffenen Leut'. Die Gendarmerie Ihrer Durchlaucht, unseres Barons, ist dem Mann bereits auf den Fersen und wird ihn uns bald herschaffen. Er ist zu Fuß unterwegs und kann noch nicht weit sein.«
    Zur selben Zeit wich im ehrenwerten Haus des Goldschmiedemeisters der unendlich große Schmerz einer schrecklichen Betretenheit. Einer der Gäste dieses unheilvollen Mahls (der Großvater des kleinen Désiré, der allein vier Liebesäpfel verspeist hatte) hatte nämlich gerade das ausgesprochen, was bisher keiner der Anwesenden zu sagen gewagt hatte: Wie sollte man sich verhalten, wenn der unvermeidliche Ruf der Natur sich regte? Obwohl verdaut, so bliebe das Fleisch des kleinen Jungen doch getauft.
    »Also, ich frage Euch, was soll ich mit meinen Exkrementen machen, wenn es soweit ist?«
    Man ließ sofort den Beichtvater der Familie, Pater Adrien, kommen. Der hörte sich die Geschichte an, schwieg dann lange, bis er schließlich erklärte, daß er nicht in der Lage sei, etwas dazu zu sagen. Er versprach aber, seinen Vorgesetzten, den Abt François Boutefeux, zu Rate zu ziehen. Er fand ihn in den Stallungen des Schlosses, wo er gerade eine gescheckte Stute abrieb.
    Seit fast fünf Jahrhunderten war das Amt des Abtes des Franziskanerklosters von Bellerocaille dem jüngsten Sohn der Familie Boutefeux vorbehalten, und alle hießen mit Vornamen François nach dem Begründer des Ordens, dem Heiligen Franz von Assisi. Mit vierzehn hatte François die erste Tonsur und mit sechzehn die ersten Pfründe bekommen, doch religiös an ihm war nur sein Amtstitel, und er war eher darauf bedacht, sein ansehnliches Einkommen zu verprassen, als sich um das Wohl seiner Schäflein zu kümmern. Das überließ er seinem Stiftsherrn, während er es vorzog, sich den Pferden und den Frauen zu widmen, die er nach den gleichen Kriterien auswählte (um ihm zu gefallen, mußten sie, egal ob Stute oder Frau, eine starke Brust, einen fülligen Hintern und eine lange Mähne haben).
    »Was erzählt Ihr mir da für einen Unsinn?« rief er, ohne jedoch deshalb seine Arbeit zu unterbrechen. »Wie soll ich eine solche Frage entscheiden können? Die Crespiagets sollen auf ihr Gewissen hören und dann mit ihren Exkrementen machen, was es ihnen befiehlt.«
    Pierre Galine war auf dem Weg nach Routaboul, seinem Heimatort, als die Bogenschützen der Gendarmerie ihn festnahmen, ohne daß er den geringsten Widerstand leistete. Sie legten ihn in Ketten und brachten ihn spornstreichs nach Bellerocaille zurück, wo man ihn nach einem kurzen Verhör durch den Prévôt in den
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