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Die rechte Hand Gottes

Die rechte Hand Gottes

Titel: Die rechte Hand Gottes
Autoren: Michel Folco
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zu erhöhen: doch es half nichts. Deshalb erinnerte Foulques ihn daran, daß seine Söhne ja davon befreit wären, ihren Dienst als Späher zu verrichten. Die Frist für diese Freistellung würde bald ablaufen, und man könnte sie erneuern oder es auch bleiben lassen. Für Beaulouis, der außer seinen drei Söhnen niemanden beschäftigte, wäre es eine Katastrophe, wenn die Befreiung nicht verlängert werden würde. Mit ausgebreiteten Armen warf er sich dem Beamten der Gerichtsbarkeit zu Füßen.
    »Ich flehe Euch an, edler Prévôt, zwingt mich nicht, Henker zu sein, und sei es nur ein einziges Mal. Das würde mich für immer abstempeln, mich und ebenso meine Nachkommen. Ich weiß nur zu gut, wie das bei Maître Pradel gewesen ist. Von dem Tag an, an dem er dieses Amt angenommen hatte, mußte er außerhalb der Stadtmauern wohnen und immer ein rotes Gewand tragen, sobald er sein Haus verließ. Und daß er kürzlich seine Tochter vermählen konnte, liegt einzig und allein daran, daß der Bräutigam der Sohn des Henkers aus Nimes ist. Zwingt mich nicht, ein solches Dasein zu führen, edler Prévôt, habt Erbarmen!«
    Foulques gab nach. Er hätte ihm zu bedenken geben können, daß diese Nachteile durch eine ganze Reihe von Entschädigungen und Privilegien reichlich aufgewogen wurden, die es Maître Pradel, dem einstigen Schlachter, ermöglicht hatten, in weniger als einer Generation zu einem der wohlhabendsten Bürger von Rodez zu werden, aber er tat nichts dergleichen und verabschiedete sich. Erleichtert stand der »Schließer« auf und rieb sich die Knie, die er sich auf dem Pflaster des Hofes etwas angeschlagen hatte.
    Die Burg von Bellerocaille, die im XIII. Jahrhundert erbaut worden war, war schon von weitem, hoch oben auf der Bergspitze aus Vulkangestein, zu sehen. Die Späher konnten von den Warten aus ungehindert mehrere Meilen landeinwärts blicken. Die runden Türme waren durch Gänge miteinander verbunden, unter denen die Wache, die Unterkünfte der Dienerschaft, die Stallungen, der Hundezwinger, die Falknerei, die Schmiede und der Backofen lagen, darüber hinaus waren die verschiedensten Vorratskammern im Erdgeschoß untergebracht.
    Im XVI. Jahrhundert hatte man die Burg um einen hohen Turm erweitert, der in die westliche Befestigungsmauer eingelassen worden war und als Kerker diente.
     
    Der Baron und die Seinen bewohnten den Hauptturm und die Gebäude der Burg, die rund um den Ehrenhof lagen. Der Donjon war neun Klafter hoch und in fünf übereinander liegende Gemächer aufgeteilt, die durch eine schmale gewundene Treppe miteinander verbunden waren. Baron Raoul und seine Gemahlin, die Edelfrau Hérondine, bewohnten die beiden ersten, Baronin Irène, die Mutter des Barons, das angrenzende Gemach. Das vierte war für auf der Durchreise befindliche Gäste vorgesehen und das fünfte für den ältesten Sohn, den zwölfjährigen Guillaume. Wenn Abt François nicht zwischen seinen verschiedenen Gemeinden unterwegs war, logierte er oberhalb der Stallungen.
    Der Donjon war mit dem großen Saal verbunden, den man in gleicher Weise als Eßzimmer, Empfangszimmer, Ballsaal oder als Saal für Ratsversammlungen nutzte. Seine hohen Wände zierten Wandteppiche mit mythologischen Motiven, Ahnenportraits und andere Gemälde, auf denen besonders ruhmreiche Momente dargestellt waren. Jagdtrophäen, eine Sammlung altmodischer, blanker Waffen, bunt bemalte Schilde, von denen einige schon sehr alt und durch den häufigen Gebauch ziemlich verbeult waren. Es stimmte, die Boutefeux mußten ihre kriegerische Gesinnung nicht mehr unter Beweis stellen. Und Baron Raouls rachsüchtiger Charakter ließ nichts auf diesen guten Ruf kommen.
    Da er demnächst wieder bei Hofe vorstellig werden sollte, ließ der Baron sich, wenn auch nur widerwillig, in Benimm unterweisen. Mit verdrießlicher Miene saß er unter dem Familienwappen, das von einer Baronskrone überragt wurde und auf silbernem Grund eine mit einem Schwert gekreuzte brennende Fackel und das Lehnsgut zeigte. Darunter stand der alte Kriegsruf »Es brennt«, der inzwischen zum Wahlspruch der Familie geworden war. Obwohl seine Selbstachtung darunter litt, gab er zu, daß er sich auf einer Wolfsjagd wohler fühlte als in einem Salon. Schließlich hatte er dem ständigen Drängen seiner Mutter nachgegeben und einen jungen Zeremonienmeister aus Rodez in seine Dienste genommen, der ihn mit Ratschlägen überhäufte. Gerade belehrte dieser ihn mit affektierter Stimme:
     
    »Die Anmut,
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