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Die rebellische Republik / Warum wir uns nicht für dumm verkaufen lassen

Die rebellische Republik / Warum wir uns nicht für dumm verkaufen lassen

Titel: Die rebellische Republik / Warum wir uns nicht für dumm verkaufen lassen
Autoren: Thomas Wieczorek
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begründete. [136]
    Aber all das war eigentlich noch gar nichts gegen den »World Wide Wirbel«, den der australische Journalist und Internettüftler Julian Assange mit seiner Enthüllungsplattform
WikiLeaks
auslöste. Im Juli 2010 veröffentlichte man die ersten 91731 von insgesamt mindestens 200000 geheimen Dokumenten der US -Administration. Top Secrets der Army und der Marines waren ebenso dabei wie vertrauliche Einschätzungen westlicher Spitzenpolitiker und Regierungen durch USA -Diplomaten oder pikante Details zur US -Klimapolitik und zum Abhören von UNO -Diplomaten durch die US -Geheimdienste.
    Nichts ist mächtiger als eine Idee zur richtigen Zeit.
    Victor Hugo
    Assange selbst vergleicht seinen Coup mit dem Öffnen der Stasi-Archive. Wohlweislich lebte er bis zu seiner Festnahme – er stellte sich im Dezember 2010 in London der Polizei – ohne festen Wohnsitz. Für einen Staat, der etwa den frei gewählten chilenischen Präsidenten Salvador Allende ermorden lassen kann, dürfte die Liquidierung eines mutigen Journalisten reine Routine sein. WeakiLeaks »stellt eine sehr reale und potenzielle Bedrohung für jene dar, die jeden Tag sehr hart für unsere Sicherheit arbeiten«, knurrte Präsidentensprecher Robert Gibbs. [137] Deutlicher hätte auch Al Capone eine Drohung nicht aussprechen können.
    Schon allein durch das virtuelle Ausplaudern der hämischen Botschafternotizen über die Regierungscrews der wichtigsten EU -Staaten sorgte der »Geheimdienst der Internet-Gesellschaft« (Prantl) [138]  – noch dazu mit Partnern wie der
Spiegel,
der
Guardian, El Pais, Le Monde
und die
New York Times –
je nach Standpunkt für Erheiterung oder Empörung von London bis Madrid, von Paris bis New York, von Rom bis Berlin. Dies war aber noch gar nichts gegen die Veröffentlichung geheimer Politdokumente, die aus Sicht der Entlarvten auch besser geheim geblieben wären. So erfuhr die Welt erst durch WikiLeaks den wahren Grund für das Scheitern des Weltklimagipfels 2009 in Kopenhagen. Es war im wahrsten Sinne des Wortes ein »schmutziges Komplott« der beiden verbliebenen Supermächte gegen die relativ zivilisierte Welt: »China und die USA verbrüderten sich gegen Europa«, meldete
Spiegel Online
brühwarm am 8 . Dezember 2010 . »Die zwei größten Klimasünder hintertrieben alle Pläne der Europäer.« [139]
    Der bislang größte von WikiLeaks aufgedeckte Skandal dürfte wie kaum ein zweiter der letzten Jahre das Vertrauen der Deutschen in Rechtsstaat und Unabhängigkeit der Justiz nachhaltig erschüttern. Laut
Spiegel Online
vom 9 . Dezember 2010 beugte sich die schwarz-rote Regierung im Fall des 2003 von dreizehn CIA -Gangstern in ein US -Foltercamp in Afghanistan verschleppten Deutsch-Libanesen Khaled el-Masri dem »Druck aus Washington«. Vor allem das Justizministerium unter Brigitte Zypries und das Außenamt unter Frank Walter Steinmeier zwangen demnach die deutsche Justiz und die Strafverfolgungsbehörden, »die verantwortlichen US -Agenten nicht effizient zu jagen«. Gleichzeitig aber wurde der Öffentlichkeit schamlos vorgelogen, die Fahndung nach den Geheimdienstverbrechern laufe auf Hochtouren. [140]
    Der Bürger lernt daraus zweierlei. Erstens: Nicht nur in Wahlkämpfen, sondern auch bei der Wahrung der Interessen des Volkes lügen unsere Regierungen, schon bevor sie den Mund aufmachen. Zweitens: Wer sich als deutscher Staatsbürger auf die Fürsorgepflicht der Regierung verlässt, der ist verlassen. Die Rechte der Bürger sind keinen Cent mehr wert, wenn die Profitinteressen der Großkonzerne des Exportweltmeisters dies erfordern. Und da die USA der wichtigste Absatzmarkt sind, muss man sich mit ihnen gutstellen.
    Die Herrschenden aller Länder sollten sich darauf einstellen, dass künftig im Wochenrhythmus irgendein Skandal per Internet ans Tageslicht gezerrt wird, und zwar unabhängig vom Schicksal von Assange und WikiLeaks: Nichts spricht dagegen, dass es schon bald Dutzende, womöglich Hunderte solcher Enthüllungsplattformen geben wird. »Nachdenkenswert und beachtlich«, findet Sissy Bruns vom
Tagesspiegel,
»ist das in der Assange-Solidarität unverkennbare Bedürfnis nach einem Robin Hood. Sieh da, ein Held mit einer Idee in einer Welt, die doch alle Utopien hinter sich gelassen hat.« Und sie kommt zu dem Schluss: »Gegen WikiLeaks kann man nur sein wie gegen die Dampfmaschine oder den Buchdruck. Nämlich gar nicht.« [141]

Passiver Widerstand pur: gewaltlose Gewalt
    Zu den größten
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