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Die rebellische Republik / Warum wir uns nicht für dumm verkaufen lassen

Die rebellische Republik / Warum wir uns nicht für dumm verkaufen lassen

Titel: Die rebellische Republik / Warum wir uns nicht für dumm verkaufen lassen
Autoren: Thomas Wieczorek
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Irrtümern mancher Politstrategen gehört die Auffassung, gewaltloser Widerstand sei ein Zeichen von Schwäche, Zaudern oder gar Feigheit, materielle Gewalt dagegen von Stärke, Entschlossenheit und Mut. In der großen Politik zeigte sich dies bei den friedlichen Revolutionen in Indien und nicht zuletzt in der DDR . Die Ostdeutschen siegten ja nicht deshalb, weil Gorbatschow und Honecker zu faul oder zu zimperlich zur gewaltsamen Niederschlagung des Aufstands à la Platz des himmlischen Friedens gewesen wären, sondern weil auch eine Diktatur ein Minimum an Unterstützergesindel benötigt: Kein Staat der Welt könnte neben jeden Bürger zwei Soldaten stellen.
    Ähnliches gilt für den Widerstand der bundesdeutschen Bürger: Die Sitzblockade, der Firmenboykott oder gar das Schottern von Gleisbetten entwickeln sich mehr und mehr zu einer Art Volkssport. Mehr noch: Dass bloßes Unterlassen durchaus eine gewaltige Gewalt sein kann, erfährt sogar der Krimikonsument, wenn der Bösewicht der Erbtante das lebensrettende Nitrospray vorenthält.
    Verzeihen oder Geduld haben heißt nicht, dass man immer alles hinnimmt, was andere einem zufügen. Mein Glaube an die Gewaltlosigkeit verpflichtet mich zu äußerster Entschlossenheit. Da bleibt kein Raum für Feigheit oder Schwäche.
    Dalai-Lama
    Gandhi
    Tatsächlich verwechseln viele Mitbürger passiven und gewaltlosen Widerstand mit masochistischer Duldsamkeit oder gar Feigheit. Das Gegenteil ist der Fall. Der berühmteste passive Widerstand ist der des indischen Volkes unter dem Rechtsanwalt Mahatma Gandhi gegen die britische Kolonialmacht. Gandhis gewaltloser Kampf gegen Diskriminierung in Südafrika und Indien machen ihn zusammen mit seiner daraus resultierenden Lehre zu einem der wichtigsten Vorbilder der Menschheit. Für Millionen »normale« und prominente Menschen – nicht zuletzt für den amerikanischen Bürgerrechtler Martin Luther King – war und ist er Vorbild.
    Und des Vorbilds Vorbilder? Für Kenner seiner tabulosen Denkweise nicht einmal überraschend, outete sich Gandhi als Anhänger der – bei »christlichen« Marktwirtschaftsanbetern so unbeliebten – Bergpredigt [142] des überlieferten Christus. [143]
    Ich werde den Hindus sagen, dass ihr Leben unvollständig ist, wenn sie nicht ehrerbietig die Lehren von Jesus studieren.
    Mahatma Gandhi. [144]
    Als Gandhi nach wiederholtem mehrjährigem Aufenthalt in Südafrika im Jahr 1914 endgültig nach Indien zurückkehrte, begann er seine politische Karriere. Ein erster Höhepunkt des zivilen Widerstandes gegen die britischen Besatzer war der Salzmarsch im Jahre 1930 , der das staatliche Salzmonopol brach und den Indern geringfügige ökonomische Verbesserungen brachte. Wichtiger war Gandhi jedoch, dass sein Volk es lernte, die militärische Vorherrschaft der Briten durch eine stärkere, eine moralische Macht in die Knie zu zwingen.
    Bürgerlicher Ungehorsam ist das angeborene Recht jeden Bürgers. Gibt er es auf, hört er auf, ein Mensch zu sein.
    Mahatma Gandhi
    Während anfänglich immer wieder gewaltlose Machtproben an der Disziplinlosigkeit der Massen scheiterten, gewannen Gandhis Ideen nach und nach einen steigenden Einfluss auf die Bevölkerung. Ein bloßer Blick auf die Statistik verdeutlicht Gandhis gigantische Leistung: Vor der Unabhängigkeit am 15 . August 1947 und der damit verbundenen Teilung zwischen Indien und Pakistan standen in Britisch-Indien 410  Millionen Einwohner, davon 281  Millionen Hindus, 115  Millionen Moslems, 7  Millionen Christen und 6  Millionen Sikhs, rund 150000 britischen Herrenmenschen mit ihrer Militärmaschinerie gegenüber. Die Hindus waren in 3000 Kasten und Unterkasten aufgeteilt, davon ungefähr 70  Millionen Unberührbare und Nachkommen der Ureinwohner. Unter britischer Verwaltung standen 310  Millionen Einwohner und bewohnten etwa zwei Drittel des Landes. Ein Drittel mit etwa 100  Millionen Einwohnern war in 565 Fürstenstaaten aufgeteilt; es gab fünfzehn Sprachen und 845 Dialekte, 85  Prozent Analphabeten und eine unbeschreibliche Armut. [145]
    Es geht hier nicht um Gandhis Fehler, zum Beispiel der untersten Kaste der »Unberührbaren« ein Leben in der Verachtung und Unsicherheit schmackhaft machen zu wollen, sondern um sein Verdienst, Millionen seiner Landsleute im friedlichen Widerstand gegen die Kolonialherren für ein freies Indien zu vereinen. Für dieses Lebenswerk setzte Gandhi das ganze Arsenal gewaltfreier Kampfmethoden ein, man denke nur an seine
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