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Die Rebellin

Die Rebellin

Titel: Die Rebellin
Autoren: Martina Kempff
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Aussteuer kann sich doch sehen lassen«, bemerkte Vassiliki.
    »Ich habe nicht gesagt, wenn ich einen Mann hätte«, erwiderte Mando bitter. »Du hast ja gehört, meine Mutter kann jetzt erst über ihre Aussteuer verfügen. Ich muss also erst heiraten und dann warten, bis mein Mann stirbt, ehe ich selber über mein Eigentum bestimmen kann!«
    »Dann heirate einen sehr alten Mann«, schlug Vassiliki vor. »Den jagst du kurz danach ein paarmal um den Tisch und dann …« Ihre Worte verloren sich. Es war wohl gerade jetzt nicht sehr passend, jemandem einen Herzanfall anzudichten.
    »Ich will überhaupt nicht heiraten.«
    »Dann bleibst du bis in alle Ewigkeit von deiner Familie abhängig.«
    Eine sehr unerfreuliche Aussicht, dachte Mando, dann schon lieber Jakinthos.
    »Erzähl mir was Fröhliches, Vassiliki«, wechselte sie das Thema. »Zum Beispiel deine Flucht aus dem Harem des Sultans.«
    Vassilikis Lippen wurden schmal. Als Kind hatte Mando von ihren Eltern ein paar Worte aufgeschnappt, aus denen sie geschlossen hatte, dass Vassiliki einst Bedienstete im Serail des Sultans gewesen sein musste. Vassiliki hatte dies immer als ausgemachten Unsinn bestritten. Sie sei direkt von ihrem Elternhaus in Nauplia vor 30 Jahren als Kindermädchen in die Dienste der Mavrojenous-Familie getreten. Wann sollte sie da Zeit gehabt haben in einem Harem zu dienen? Aber jedes Mal, wenn Mando die Dienerin ärgern wollte, kam sie auf das Thema zurück.
    »Dein Türkischlehrer sollte dich über die Umstände in einem Harem informieren«, sagte Vassiliki jetzt, »dann würdest du wissen, dass eine Flucht ganz und gar unmöglich ist.«
    »Und woher weißt du das so genau?«, erkundigte sich Mando.
    Mando wunderte sich, dass es Pappas Mavros nicht eilig hatte, nach Tinos zurückzukehren und sich sogar bereit erklärte, beim Einladen des Hausrats in ein großes Khaiki zu helfen. Ihr Vater hatte sechzehn Jahre zuvor beim Umzug von Triest nach Paros sicher keinen Finger gerührt, aber Priester gehörten offensichtlich zu einer anderen Gattung Mann. Vermutlich trugen sie auch deshalb lange Röcke.
    Sie selber hatte ihrer Mutter nur geholfen das kostbare Service, die Heiligenbilder und die Gläser einzupacken, der Rest wurde der Dienerschar überlassen. Die meisten Angestellten trugen eine Trauermiene, denn am Tag nach der Beerdigung war ihnen mitgeteilt worden, dass ihre Dienste nicht länger benötigt wurden.
    Zakarati wollte nur Vassiliki, ihre persönliche Zofe Sophia, den Kutscher und die Köchin mit nach Tinos nehmen. Über Letztere hatte es mit der ältesten Tochter eine kleine Auseinandersetzung gegeben, da Irini keineswegs gewillt war ihrer eigenen Köchin zu kündigen. Zakarati hingegen schauderte bei dem Gedanken der bäuerlichen griechischen Kost ausgesetzt zu sein und machte schließlich den ganzen Umzug von der Mitnahme ihrer eigenen Köchin abhängig.
    Irinis Mann Antonis fand eine salomonische Lösung. Da Zakarati und Mando ohnehin eine eigene Wohnung in seinem Herrenhaus beziehen würden, schlug er vor eine zweite Küche anzubauen, wo Zakaratis Köchin auf gewohnte Weise ihre italienischen und französischen Speisen zubereiten konnte. Mit einer gewissen Genugtuung verfolgte Mando die absurde Diskussion. Irini, die das Elternhaus nach ihrer Hochzeit vor acht Jahren verlassen hatte, schien vergessen zu haben, wie schwer es war, der Mutter etwas recht zu machen. Vielleicht versteht Irini jetzt, weshalb ich so oft die Geduld mit Mama verliere, dachte sie und wünschte, dass Marcus noch lange genug geblieben wäre, um die Auseinandersetzung mitzuerleben.
    Selbst der Vater hatte es in den letzten Jahren aufgegeben, zwischen Mutter und Tochter zu vermitteln. Er hatte erkannt, dass so unterschiedliche Charaktere, wie die langsame, ängstliche Zakarati und die schnell aufbrausende und entschlossene Mando schwer zu vereinbaren waren.
    »Wenn ich nicht genau wüsste, dass dich deine Mutter unter Schmerzen geboren hat, würde ich wetten, dass du Vassilikis Tochter bist«, hatte er oft scherzhaft geäußert. Der unausgesprochene Vorwurf, dass sie sich nämlich nicht ihrem Stand entsprechend betrage, traf Mando nicht, denn als Kind hatte sie sich oft vorgestellt Vassilikis Tochter zu sein. Wer hatte sie denn getröstet, wenn sie sich die Knie aufgeschlagen hatte oder zur Strafe in ein dunkles Zimmer gesperrt wurde? Wer hatte ihre heiße Stirn gekühlt, ihr Zimmer aufgeräumt, ihre Partei ergriffen, wenn die Hauslehrer ungerecht waren?
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