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Die Räuber

Die Räuber

Titel: Die Räuber
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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äußerte, daß es mir nicht gelungen, ihren wah-
    ren Familiennamen zu erfahren. Da heftete sie ihren Blick fest
    auf mich und sprach mit dem Ton der tiefsten Trauer: „Wie,
    mein Herr? — sollten Sie mich nicht kennen? sollten Sie mich
    nicht schon oft unter den Schrecknissen des fürchterlichsten
    Verhängnisses erblickt haben, nicht schon oft von dem unge-
    heuern Geschick erschüttert worden sein, das mich so grim-
    mig erfaßte? — Ja, ich bin jene unglückliche Amalia, Gräfin
    von Moor, aber die schwärzeste Verleumdung ist es, daß mein
    Karl mich selbst getötet haben solle. Nur scheinbar tat er das,
    um die wilde Horde zu beschwichtigen. — Es war nur ein
    Theaterdolch, den er mir auf die Brust setzte.“ — Dies letzte
    sprach die Gräfin ganz leise und beinahe lächelnd. Dann fuhr
    sie im vorigen Tone fort: „Schweizer und Kosinski, die edlen
    Menschen, haben mich gerettet. Sie sehen, mein Herr, ich lebe,
    und kein Leben ist ohne Hoffnung. Der Kaiser wird, er muß
    den Grafen Karl von Moor begnadigen, er darf das aber nicht
    eher tun, bis Graf Franz gestorben. Der hat aber drei Leben.
    Zweimal ist er schon gestorben — ich selbst (dicht herange-
    rückt, zischelte mir die Gräfin dies ins Ohr) — ich selbst —
    diese Hand hat ihn einmal getötet. Nun lebt er noch das dritte
    Leben, ist das geendet auf gewaltsame Weise, wie es bald ge-
    schehen wird, so ist alles gut. Karl kommt wieder, erhält den
    Besitz der ihm entrissenen Herrschaft in Böhmen, und auch
    meine entsetzliche Qual ist vorüber. Als mein Oheim starb,
    berührte ich mit dieser Hand, die dem Sohn das zweite Leben
    raubte, das linke Auge, und da blieb es offen, und alle ver-
    mochten es nicht zuzudrücken — und er schaut mich noch
    immer mit diesem Auge an.“ — Die Gräfin versank in tiefes
    Nachdenken, fuhr dann aber plötzlich auf und rief, indem je-
    nes düstre Feuer des Wahnsinns aus ihren Augen blitzte, mir
    zu: „Finden Sie mich schön? — Könnten Sie mich lieben? — o,
    ich kann Ihre Liebe reich lohnen! — Entführen Sie mich dem
    Verhaßten. — Rette, o rette mich!“ —
    Die Gräfin wollte sich an meine Brust stürzen, da faßte
    sie aber der Hauswirt bei den Armen und sprach halb leise:
    „Gnädige Gräfin — gnädige Gräfin, er ist da! es ist die höchste
    Zeit. — Sie müssen fort.“ — „Du hast recht, guter Daniel,“ er-
    widerte sie ebenso — „ja ganz recht — fort, fort!“ Und damit
    sprang sie schnell fort aus dem Gemach.
    Ich bebte, wie vom Fieberfrost geschüttelt, stammelte un-
    verständliche Worte! — „Sie sind erschrocken, mein Herr,“
    sprach der Wirt lächelnd, „aber es hat jetzt nicht mehr das
    mindeste zu bedeuten. Sonst, ehe ich aus ihren Reden mir es
    erlauscht hatte, wie ich mich zu benehmen, geriet sie jedesmal,
    wenn sie geschrieen: ‚Rette, rette mich!‘ in Wut; jetzt aber
    packt sie schnell ihre Juwelen ein und läuft unter allerlei wir-
    ren, wunderlichen Reden umher, bis sie in tiefen Schlaf ver-
    fällt, aus dem sie in ihrem gewöhnlichen ruhigen Zustande
    erwacht.“ —
    Als ich nach Hause kam, fand ich Deinen Brief! — Kein
    Wort mehr. —
    O Hartmann! mein innigst geliebter Freund, „wir stehen
    mitten in Schillers ‚Räubern‘ “, sprachst Du damals, aber der
    Gedanke, der nichts weiter schien als ein Scherz, berührte den
    Pendl des verderblichen Räderwerks, das mich, den Leichtsin-
    nigen, erfaßte, und dessen das Innerste zerfleischende Kraft
    ich noch fühle. — Lebe wohl etc.
    Als Hartmann seinen Freund endlich in Berlin wiedersah,
    fand er ihn zwar geheilt von der verderblichen Stimmung,
    die auch physischem Leid zuzuschreiben; beide, Willibald
    und Hartmann, gedenken aber noch jetzt, sind sie am späten
    Abend traulich beisammen, oft jenes entsetzlichen Trauer-
    spiels in Böhmen, dessen ersten Akt ein seltsames Verhängnis
    sie mitspielen ließ, und in ihrem innersten Gemüt erbeben
    dann tiefe Schauer.
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