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Die Räuber

Die Räuber

Titel: Die Räuber
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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gebraten, gesungen und getanzt, während ungefähr sechs
    Männer, auf ihre Büchsen gestützt, den Trupp zu bewachen
    schienen. Plötzlich stürzten die Jäger mit lautem Geschrei auf
    sie ein, da ergriffen aber auch Weiber und Mädchen die gela-
    denen Büchsen und schossen gleich den Männern auf die Jä-
    ger, die indessen, von dem Gebüsch begünstigt, besser trafen,
    so daß, während kein einziger von ihnen verwundet wurde,
    vier von den Männern und mehrere von den Weibern nieder-
    stürzten, die andern verschwanden in der Schlucht.
    Als nun die Jäger auf dem Kampfplatz untersuchten, wer
    von den Gestürzten vielleicht nur verwundet, erhob sich eine
    dicht verschleierte Gestalt vom Boden und wollte entfliehen.
    Graf Franz trat ihr entgegen. Laut aufkreischend wollte bei
    seinem Anblick das Weib niedersinken. Ein Jäger hielt sie in
    seinen Armen aufrecht, indem er den Schleier lüftete, der ihr
    Antlitz bedeckte. — Als sähe er ein entsetzliches Gespenst,
    starrte der Graf die Entschleierte an! — Es war Amalia! — In
    dem Augenblick riß sie sich mit der Kraft der wütendsten Ver-
    zweiflung aus den Armen des Jägers, zog plötzlich ein großes
    Messer hervor und stürzte auf den Grafen los! — Der Förster,
    der neben ihm stand, umfaßte die Wahnsinnige, entwaffnete
    sie und sprach, während sie von den Jägern festgehalten
    wurde, mit wehmütigem Tone zum Grafen: „Was sollen wir
    tun? — Was ist zu tun möglich?“ — Da war es, als erwachte
    der Graf nun erst aus krampfhafter Erstarrung; er rief mit
    wildem furchtbarem Ton: „Binden — nach dem Schlosse
    bringen!“ schwang sich auf das Pferd, das die Jäger herbeige-
    bracht, und jagte fort durch den Wald.
    „Verworfenes Geschöpf! also zu Mördern und Dieben
    flohst du aus dem Hause des Vaters, aus den Armen der Liebe.
    Nein — nicht noch mehr Schmach sollst du über dieses greise
    Haupt bringen, Klostermauern sollen dich und deinen verbre-
    cherischen Wahnsinn verbergen vor der Welt!“ So rief der alte
    Graf in dem Ingrimm der tiefsten Empörung, als Amalia vor
    ihn gebracht wurde. Doch atmete diese nicht, für kein leben-
    des Wesen war sie zu achten. Auch nicht die leiseste Bewe-
    gung ihres Antlitzes, nicht das kleinste Zucken des Mundes,
    nicht ein Blick der todesstarren Augen bewies, daß sie etwas
    vernahm oder gewahrte, was gesprochen wurde, oder was
    sich begab. Kein Laut kam über ihre Lippen. Führte man sie,
    so ging sie, ließ man sie stehen, so stand sie; sie glich durchaus
    einem Automat. Der Graf ließ sie in ein entferntes einsames
    Zimmer sperren und gedachte sie in wenigen Tagen nach ei-
    nem entfernt gelegenen Kloster fortschaffen zu können.
    Vergebens bemühte sich der Geistliche, Amalien zum Re-
    den zu bewegen. Sie beharrte in ihrem Schweigen; und eben-
    sowenig gelang es, ihr Speise und Trank einzunötigen. Beide,
    der Geistliche und der Wundarzt, stimmten darin überein,
    daß Amaliens Zustand keineswegs physische Krankheit,
    vielmehr psychisch angestrengter Wille sei, und daß sie zu
    sterben beschlossen. —
    Graf Franz war ruhiger und gefaßter, als man es hätte
    erwarten sollen, er schien sich dem dunkel waltenden Ver-
    hängnis ganz ergeben zu haben und nichts mehr zu fürchten,
    nichts mehr zu hoffen. —
    In der vierten Nacht darauf, nachdem sich dieses begeben,
    brach endlich das furchtbare Wetter los, welches das Stamm-
    haus der edlen Grafen von C. vernichtete. —
    Gerade um die Mitternachtstunde, als alles auf dem
    Schlosse in tiefem Schlafe lag, wurde das Schloßtor gesprengt,
    und hinein unter wildem Mordgeschrei drang die Räuber-
    horde, schoß in die Fenster, erbrach die Türen, ermordete
    die einzeln herbeieilenden Diener. — Kaum hatte Graf Franz
    seine Pistolen geladen, als er die Räuber schon in den Gemä-
    chern neben seinem Schlafgemach toben und seinen Namen
    rufen hörte. Er hielt sich für verloren. Doch — das Fenster
    seines Schlafgemachs ging nach dem Garten heraus, an der
    Mauer war ein Spalier befindlich, an diesem Spalier schwang
    er sich hinab, rannte in der finstern Nacht nach dem Fürsten-
    hause, dessen Fenster ihm aus der Ferne entgegenleuchteten.
    Freudige Hoffnung beflügelte seine Schritte; als er ankam,
    fand er die Jäger schon im Aufbruch, während schauerlich
    das dumpfe Sturmgeläute von den Dörfern herüberklang. Der
    Förster hatte das starke Schießen von der Gegend des Schlos-
    ses her gehört, hellen Fackelschein gesehen, den Räuberanfall
    vermutet und
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