Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Räder des Lebens

Die Räder des Lebens

Titel: Die Räder des Lebens
Autoren: Jay Lake
Vom Netzwerk:
die Schuppen zuständig waren. Senhora Armandires war die Dame für die Pilze. Nachdem Senhor Armandires im letzten Jahr endlich ausgezogen war, hatte Paolina im Haus der Frau einen stark verbesserten Kamin eingebaut, und die Senhora war Herrin ihrer eigenen Entscheidungen. Die Dame würde keinen Einspruch erheben.
    Genügend Licht war vielleicht ein Problem, aber man brauchte nicht wirklich viel, um die Uhr sehen zu können. Kerzenstummel gehörten zu ihren besten Freunden.
    Paolina machte sich auf die Suche nach Clarence. Er konnte ihr dabei helfen, einen Tisch aus einem der verlassenen Häuser zu holen und ihn nach oben bis Oporto zu schleppen. Und eine Tischdecke.
    Sie würde sich zu helfen wissen. Es ging darum, ein Problem zu lösen. Das konnte sie sehr gut.
    Im Lauf der nächsten Tage öffnete Paolina die Rückseite der Taschenuhr, um die feinen Bewegungen des Mechanismus zu beobachten. Was sie sah, entmutigte sie sehr. Ihr fehlten die Werkzeuge, um solch winzige Dinge greifen zu können. Mit der Zeit könnte sie die vielleicht herstellen, mit Resten aus Alcides’ Schmiede. Sie müsste sich außerdem eine Linse besorgen, was in Praia Nova nahezu unmöglich schien. In jedem Fall handelte es sich um eine Aufgabe, die nur langsam und mit viel Geduld angegangen werden konnte. Sie blieb bei Zahnstochern und Hebeln, die sie aus Hartholzsplittern herstellte.
    Clarence, der um sie herumgeisterte, half ihr ein wenig und beantwortete gelegentlich Fragen. Er verbrachte auch Zeit damit, nach nützlichen Dingen zu suchen und entfernte sich dabei weiter von Praia Nova, als es jeder der Einheimischen tun würde. Natürlich war er zwei Jahre lang an der Mauer entlanggegangen – der Junge hatte seltsamere Dinge überlebt als die glitzernden, gepanzerten Katzen, die zuweilen die Felsvorsprünge in der Umgebung unsicher machten, oder die strahlend hellen, eiskalten Felsen, die manchmal auf sie herabstürzten.
    Am Abend ihres vierten gemeinsamen Tags kam er in den Pilzschuppen gerannt. Er keuchte und schwitzte, und im Licht ihres kleinen Kerzenstummels flackerte das Weiße in seinen Augen. »Die fidalgos suchen nach dir!«, rief er auf Portugiesisch.
    Seine panisch klingende Stimme jagte ihr Angst ein, trotzdem antwortete sie ruhig: »Irgendjemand sucht immer nach irgendwem.«
    Davies wechselte ins Englische. »Sie haben dich zu ihnen bestellt. Senhora Armandires streitet sich unten im Dorf mit Fra Bellico.«
    Paolina seufzte und legte die Teakholzstocher zur Seite. Vorsichtig bedeckte sie die Taschenuhr mit einem Quadrat aus blasser Seide, das sie dem Leichnam eines Chinesen abgenommen hatte, der im Jahr vor der großen Flut in ihren Netzen gefangen worden war. »Was möchte der Pater von mir?« Sie wischte sich die Hände ab.
    Clarence starrte peinlich berührt auf seine Füße. »Die fidalgos sind wütend.«
    Die Antwort lag auf der Hand, aber die in ihr aufsteigende Wut ließ sie unwirsch werden. »Worauf sind sie wütend, Engländer?«
    Als er hinter ihr die Segeltuchklappe durchschritt, die als Tür fungierte, murmelte er etwas, das sie nicht verstand.
    »Wie bitte?« Jetzt war sie wirklich schlecht gelaunt.
    »Dass du die Uhr erhalten hast.«
    »Dass ich die Uhr erhalten habe«, flötete sie sarkastisch. Was hatte sie an diesem Idioten jemals gefunden? »Der Himmel öffnete seine Schleusen und spuckte eine Uhr aus, die von Gottes Gnaden natürlich nur in die Hände der Männer Praia Novas hätte gelangen dürfen, richtig?«
    »Es tut mir leid«, murmelte er, aber sie rannte bereits den Weg hinab in Richtung des Lärms.
    Die fidalgos waren betrunken und wütend. Was Paolina als Erstes auffiel war, dass sie sich am Wildblumenwein gütlich getan hatten. Der bagaceira war alle, und Fra Bellico hatte keine weiteren wild wachsenden Trauben und Zwetschgen gefunden, aus denen er seinen Tresterbrand hätte herstellen können. Kein Wunder, dass sie so wütend waren – sie waren gezwungen, ein von Frauenhand hergestelltes Gesöff zu trinken.
    Die Fünf hatten sich wieder um ihren Tisch versammelt und starrten sie an: Alvaro, Pietro, Bellico, Penoyer und Mendes, der nachdenklich auf seinem Schnurrbart kaute. Der Rest schien einfach nur denselben, immer wiederkehrenden Zorn zu verspüren, der von den Männern des Dorfs Besitz ergriffen hatte, seitdem sie ohne ihre Fischerboote waren.
    Sie vermissten es, ihre Meeresfrüchte bei den Enkidus und den Stämmen entlang des Wegs gegen andere Waren eintauschen zu können.
    »Du!«, brüllte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher