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Die Rache des glücklichen Mannes

Titel: Die Rache des glücklichen Mannes
Autoren: Arto Paasilinna
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zurzeit sind wohl wieder mal zwei Stellen unbesetzt. Im Gesundheitszentrum gibt es nur einen einzigen Arzt, der drei Stellen versieht.«
    Der Mittsommerabend verging heiter. Ein leiser, wär­ mender Rausch erfasste Jaatinen, und als die Nacht kam, verließ er das Restaurant und fuhr ans Seeufer, wo das gemeinsame Feuer des Dorfes abgebrannt wur­ de. Am Ufer hatten sich gut fünfhundert Menschen versammelt, auf der alten, wackeligen Estrade wurde getanzt. Eine taschenwarme Flasche machte unter den Männern die Runde, die Jugend knatterte auf Mopeds über die Uferwege, der Kirchenchor von Kuusmäki sang Volkslieder, Nebel hing über dem See, hinten im Wald prügelten sich ein paar Männer und tief drinnen im Gebüsch zogen schüchterne Jungenhände die Strumpf­ hosen von den Beinen einer Dorfschönen.
    Mit dem gründlichen Blick des Ingenieurs stellte Jaa­ tinen fest, dass am Ufer, etwas abseits von den anderen, die Gemeindesekretärin allein auf einem Stein saß. Jaatinen gesellte sich verstohlen zu ihr, man plauderte, und bald entfernte sich das Paar vom Festplatz, machte ein Boot vom Ufer los und glitt lautlos auf den nebligen See hinaus.
    Fern am anderen Ufer, in der warmen Sommernacht, hörte Jaatinen auf zu rudern, sah die Frau zärtlich an, hielt ihre Hand, und bald saßen sie eng umschlungen im Boot, sie wurden ein bisschen albern, waren aufge­ regt und fühlten sich wohl. Jaatinen merkte, dass seine Männlichkeit wirkte, und wurde darüber grenzenlos froh. Er fühlte sich als Sieger. Dieses Gefühl, das ihm die Brust anschwellen ließ, verstärkte sich in den Stun-den nach Mitternacht, als er Irene Koponen nach Hause begleitete, ins Treppenhaus, ins Zimmer, hinter die Gardinen, den vor Aufregung zitternden Arm um die Frau geschlungen, deren Schönheit ihm unbeschreiblich schien.
    Diesen Genuss trinkend, schlief er schließlich ein, in seinen Armen lag die schöne Gemeindesekretärin wie eine geöffnete Auster, vom Geschmack und Geruch die beste aller Naturgaben. So schlummerten beide bis in den Morgen.
    Am Johannistag erwachte Jaatinen von Irenes herrli­ chem Gesang, in den sich das Vogelgezwitscher mischte, das durchs offene Fenster hereindrang, und Jaatinen fühlte sich, sofern das möglich war, noch glücklicher als in der Nacht. Er aß das Frühstück, das ihm seine Liebs­ te bereitet hatte, schluckte Tomatenscheiben und sah ihr tief in die Augen, so tief er konnte, er fühlte sich so voll von Liebe wie ein großer Kachelofen, der viele Winter lang nicht geheizt, jetzt mit mehreren Arm voll trocke­ nen Holzes gefüllt worden ist. Und wie ein solcher Ofen verströmte Brückenbauingenieur Jaatinen nach allen Seiten Wärme, bis das Telefon klingelte.
    Der Anrufer war Propst Roivas.
    Die herrliche Irene antwortete mit sanfter Stimme, sie wünschte dem Propst einen schönen Johannistag, doch kurz darauf änderte sich ihr Ton, und schließlich knallte sie den Hörer heftig auf die Gabel; Jaatinen sollte bald erfahren, was der Propst mitzuteilen gehabt hatte.
    »Bist du der Bauleiter am Blutfluss, Brückenbauinge­ nieur Akseli Jaatinen?«
    »Der bin ich.«
    »Und das hast du mir verheimlicht?« »Weil du nicht gefragt hast, dachte ich, du weißt, wer
    ich bin.«
    »Ich hielt dich für einen anständigen Arbeiter. Roivas erzählte mir eben am Telefon, dass du Jaatinen bist. Was machen wir jetzt? Sag es mir!«
    Es war nämlich so, dass sich die Gemeindesekretärin schon vor geraumer Zeit ihr Bild von Brückenbauingeni­ eur Jaatinen gemacht hatte; sie hielt ihn für ein großes Schwein, einen Säufer, einen Lumpen, einen unhöfli­ chen Intriganten… und jetzt hatte sie diesen Mann unwissentlich in ihre Wohnung mitgenommen, welche Schande!
    Jäminki hatte am Morgen den Propst angerufen und ihm erzählt, Jaatinen habe sich der Brandstiftung schuldig gemacht, eine Scheune und eine Mähmaschine seien vernichtet, beide alt und wertvoll, und wenn die Gemeindesekretärin an sachlichen Beziehungen zum Gemeindevorsteher, zur Zentrumspartei sowie zu eini­ gen anderen Fraktionen interessiert sei, so solle sie aufhören, mit dem Feuer zu spielen, und zur Vernunft kommen, ehe noch Schlimmeres passiere.
    »Bist du wirklich so kleinlich?«, wunderte sich Jaati­ nen.
    »Du Mistkerl kommst her und schläfst mit mir, tust es auch noch heimlich! Jäminki schmeißt mich raus, wenn du nicht sofort von hier verschwindest«, sagte sie und ging ins Badezimmer. Hinter der Tür waren Schluchzen und Wassergeplätscher zu hören.
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