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Die Rache des glücklichen Mannes

Titel: Die Rache des glücklichen Mannes
Autoren: Arto Paasilinna
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Straßenbelag entstanden schwarze Bremsspuren von seinen Schuhen, sein Hemd zerriss, die Uhr löste sich vom Handgelenk und wurde unter den Füßen der Männer zertreten. Stück für Stück ging es dennoch vorwärts in Richtung Polizeistation.
    Es dauerte gut und gern zehn Minuten, ehe die Män­ ner von Kuusmäki, etwa zwanzig an der Zahl, Jaatinen auf die andere Straßenseite bugsiert hatten; der Verkehr auf der Hauptstraße kam währenddessen zum Erliegen. Ein Ortsfremder, der sein Auto stoppen musste, erkun­ digte sich, was eigentlich los sei. Propst Roivas, der ebenfalls so viel Gefallen an dem Handgemenge gefun­ den hatte, dass er Jaatinen am Hemdzipfel zog, löste sich aus der Gruppe und trat zu dem Fremden, um ihm die Situation zu erklären:
    »Wir bringen hier bloß einen Ingenieur in den Arrest, damit er sich beruhigt… dieser Mann ist eine Art Barra­ bas… zeigt ein eigenartiges Verhalten. Sie können ge­ trost weiterfahren, mehr ist hier nicht zu sehen.«
    Inzwischen war es den Männern gelungen, Jaatinen bis auf die Eingangsstufen der Polizeistation zu schlei­ fen. Dort konnte er sich beinah losreißen, denn auf der Treppe hatten nur zehn Mann auf einmal Platz, um ihn festzuhalten. Rufe hallten, die Situation wirkte für einen Außenstehenden wie ein Schaukampf, die Männer keuchten und der Schweiß floss ihnen herunter. Je­ mand hielt die Tür der Polizeistation auf; es sah aus, als wäre Jaatinen ein riesiger Hengst, den die Männer vom Schlachthof vergeblich in den Viehtransporter zu treiben versuchen. Das Treppengeländer knackte, einige Män­ ner fielen von den Stufen hinunter, aber schließlich verschwand Jaatinens Rücken im Inneren des Gebäu­ des, und das Toben ging drinnen weiter.
    »So viel Schwierigkeiten hat hier noch nie einer bei seiner Einlieferung in die Zelle gemacht«, konstatierten die Zuschauer, die sich auf dem Hof versammelt hatten.
    Der Kampfeslärm kam nun bereits aus dem Büro der Dienststelle, die Türen knallten, das Telefon klingelte. Jemand nahm ab, schrie in den Hörer:
    »Ja, ja, hier ist die Polizeistation! Wir kommen sofort, wir müssen bloß erst einen Ingenieur in die Zelle schaf­ fen. Rufen Sie später an, wir können momentan keine Anzeige aufnehmen!« Gerade als man Ingenieur Jaatinen schon halb durch die Zellentür geschleift hatte, bekam er seine Hände frei, schleuderte mit gewaltiger Kraft ein paar seiner Peiniger in die Zelle, schüttelte die anderen ab und rannte auf den Gang. Nur zwei Männer hingen noch an ihm, und sie fielen in dem Moment von ihm ab, als er durchs offene Fenster nach draußen sprang. Die Menschenmenge auf dem Hof stob auseinander wie eine Schar Krähen vor dem Turmfalken. Jaatinen sauste über den Hof auf die Straße, überquerte sie und ver­ schwand im Wald. Sein nackter, verschwitzter Rücken glänzte in der Sonne, einige Hemdfetzen blieben am Zaun der Genossenschaftsbank hängen, als Jaatinen hinübersprang.
    Aus der Tür der Polizeistation drängten verschwitzte Männer, sie liefen nervös auf dem Hof herum und rann-ten dann hinter Jaatinen her.
    Der rauschende Sommerwald verschluckte den Inge­ nieur, er flüchtete wie ein Elch, und die Verfolger konn­ ten ihn nicht einholen. Sie suchten eine Weile nach ihm, kehrten schließlich wütend aus dem Wald zurück und sagten:
    »Fast hätten wir ihn drin gehabt.«
    8
    Was für ein Mittsommerfest, dachte Ingenieur Jaatinen in den Wäldern hinter Kuusmäki. Er irrte geistesabwe­ send durch unbewohnte Gegenden, kam schließlich an den Fluss, wusch sich und zog die letzten Hemdfetzen aus. Hier und dort wies sein Körper blutige Schrammen auf, Jaatinen konnte von Glück reden, dass keine Kno­ chen gebrochen waren.
    Finster saß Ingenieur Jaatinen am Johannisabend am Fluss. Er fühlte sich genauso kläglich wie der fluchende Kullervo, war zornig und rachedurstig.
    Diese klägliche Verfassung amüsierte ihn andererseits auch. Er sagte sich, dass er am gestrigen Tag noch nichts davon geahnt hatte, wie diese Mittsommerfeier enden würde.
    In der Abenddämmerung wanderte Jaatinen dem Un­ terlauf des Flusses entgegen. Er wollte nicht ins Kirch­ dorf zurückkehren, denn wahrscheinlich waren die Leute dort noch in Lynchstimmung. Er folgte dem Flussufer ein paar Kilometer, bis er zur Brückenbaustel­ le kam. Vorsichtig schlich er sich an den Waldrand. Er wollte sich vergewissern, dass bei seiner Baubude nicht Kommissar Kavonkulma oder Konstabler Ollonen warte­ ten. Die Treibjagd ins
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