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Die Rache Der Nibelungen

Titel: Die Rache Der Nibelungen
Autoren: Torsten Dewi , Wolfgang Hohlbein
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über die Utgardscheibe, um sich erneut zu orientieren. Die Erlebnisse im Schlucksand wie im Schädel Mimirs hatten ihm jede Ahnung genommen, wie weit er bereits gekommen war.
    Er erreichte den höchsten Punkt nicht.
    Als er Nothung in den Boden drückte, um ihm beim Aufstieg zu helfen, da zitterte die Erde, zuckte wie im Krampf und bäumte sich Siegfried entgegen. Er suchte etwas, an dem er sich festhalten konnte, fand es nicht und rollte schmerzhaft zurück, ohne dabei die Hand vom Schwert zu nehmen. Ein Strauch Beeren, die mit tausend kleinen Mündern nach ihm schnappten, bremste seinen Fall, und mühsam rollte er sich zur Seite, um vielen winzigen Wunden zu entgehen.
    Siegfried rappelte sich auf, das Schwert bereit, um sich gegen alles zu verteidigen, was ihm entgegentrat. Und was ihm entgegentrat, war der Hügel selbst, den er vor wenigen Augenblicken noch besteigen wollte.
    Ein Zischeln lag in der Luft, ein vielstimmiges Grummeln, brechendes Holz und wühlende Erde. Der Hügel wuchs weiter und weiter, bis er sich entfaltete wie zwei Arme, die zuvor verschränkt waren. Schlanke Leiber drehten sich in den Himmel, die Köpfe pendelnd, und gespaltene Zungen, so lang wie eine ausgewachsene Eiche hoch, lugten aus geschuppten Mündern.
    Einen Regenschauer aus Dreck schüttelten die gigantischen Schlangen ab, der auf Siegfried niederprasselte. Die Kraft der beiden Leiber drückte so stark in den Boden, dass sich die Erde zwischen den Beinen des Prinzen spaltete und er sich mühsam zur Seite warf.
    Siegfried kam sich vor wie ein Fischer, der mit blanker Faust versucht, einen Sturm zur Umkehr zu bewegen. Manche Schuppen an den Schlangenleibern waren größer als er selbst, und wenn die Kreaturen sich streckten, mochten sie an der Midgardscheibe lecken.
    Goin und Moin.
    Die Götterschlangen Utgards.
    Geboren vom Wolfswesen Grafwitnir.
    Eine bräunlich rot, die andere gräulich grün.
    Siegfried wusste nicht viel darüber, nur dass sie der Legende nach sich von den Wurzeln Yggdrasils nährten, um dem Weltenbaum den allzu starken Wuchs zu verweigern. Ihre schlanken Köpfe hatten die Größe von römischen Schiffen, und ihre schwarz glänzenden Augen waren wie dunkle Teiche.
    Beide Schlangen beugten sich zu Siegfried, und ihre fleischigen Zungen peitschten den Boden links und rechts von ihm auf. Je näher sie kamen, desto genauer konnte der Prinz ihre Eckzähne sehen, die wie jene angespitzten Stämme aussahen, aus denen man in Dänemark die Hütten baute. Ihr Atem war kalt und klar.
    Sie musterten ihn.
    Sie ... schnupperten.
    In ihre Nasenlöcher hätte Siegfried klettern können, und er bekam ein Gefühl dafür, was sein Vater empfunden haben mochte, als er einst dem Drachen Fafnir gegenüberstand.
    Vielleicht war es gut so. Vielleicht war hier die Prüfung, als Schlangentöter Ehre zu erlangen, dem Erbe des ersten Siegfrieds angemessen. Die Utgardschlangen zu erschlagen, das würde den Göttern selbst Respekt abverlangen.
    Mit beiden Händen packte Siegfried das Schwert Nothung und versuchte sich an einer Strategie. Den peitschenden Zungen auszuweichen war sicher ein guter Rat zum Anfang. Wenn es ihm gelang, die Schlangen dort zu treffen, würde es ihnen schwerfallen, ihn in ihre Mäuler zu zerren.
    Oder waren die Leiber, lang und weich, der rechte Ort für eine Attacke? Eine Ritze in der Haut, und er konnte in die Kreaturen kriechen, sie von ihnen heraus schlitzen, wo sie ihm kaum begegnen konnten.
    Siegfried überlegte so lange, dass ihm erst spät auffiel, dass Moin und Goin fast reglos über ihm aufragten. Er suchte einen sicheren Stand und pendelte die Spitze des Schwertes zwischen den Schlangen hin und her. »Ich bin Siegfried, Sohn von Siegfried, dem Drachentöter.«
    Moin und Goin zischelten nur, eher aus Gewohnheit denn Boshaftigkeit, wie es schien.
    Der Kampfschrei, mit dem er sich auf die Bestien stürzen wollte, sammelte sich schon in seiner Kehle, als Siegfried sich der Worte Brunhildes entsann.
    Ein kluger Anführer wählt seine Kämpfe mit Bedacht
.
    Sein Herz raste, sein Blut kochte, und das Schwert in Siegfrieds Hand verlangte nach seinem Recht. Es wollte geführt werden gegen die Ungeheuer und glorreich in ihrem kalten Fleisch versinken. Trotzdem zwang sich der Prinz zur Ruhe und seine Gedanken zur Klarheit.
    Den Kampf mit Bedacht wählen – was hatte das zu bedeuten? Wo war die Wahl, was war die Alternative? Er war ein Krieger mit einem heiligen Schwert, und vor ihm schwangen zwei Höllenkreaturen im
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