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Die Rache Der Nibelungen

Titel: Die Rache Der Nibelungen
Autoren: Torsten Dewi , Wolfgang Hohlbein
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Wahrheit«, drängte die Stimme. »Kein Ausweg.«
    Schon die Forderung, sich zu ergeben, machte Siegfried wütend, und er tastete weiter an den Wänden entlang. Schließlich bemerkte er, dass zwei vielleicht schildgroße Stellen an der Vorderseite wärmer waren als der kalte Rest der Wände.
    »Es ist keine Schande darin, in Frieden das Schwert niederzulegen«, mahnte die Stimme. »Es gibt nichts mehr zu erkämpfen.«
    Als Antwort zog Siegfried Nothung. In der völligen Dunkelheit war seine Hand auf der linken warmen Stelle die einzige Orientierung.
    »Leg das Schwert beiseite, Siegfried«, sagte die Stimme, und die Angst, die deutlich in ihr zu hören war, stärkte Siegfrieds Glauben, auf dem rechten Weg zu sein.
    »Ich denke mit meinem eigenen Kopf«, knurrte er und stieß Nothung so stark in die warme Fläche, wie es ihm möglich war.
    Die Spitze des Schwerts drang ein, weich und glibberig. Die Stimme schrie wie ein Schwein, das zum Fest abgestochen wird. Ein erstes Licht erschien, wo Siegfried die Klinge wieder zu sich zerrte. Ein weiterer Hieb, und der düstere Boden von Utgard kam in Sicht. Die Stimme schrie weiter, doch der Prinz schnitt wütend die warme Fläche wie ein Loch aus der Wand und kroch durch Schleim und faseriges Fleisch nach draußen.
    Der grobe Boden der Unterwelt fing seinen Körper auf, und trotz der ewigen Dämmerung brauchten Siegfrieds Augen einen Moment, um das Licht zu ertragen. Er warf sich auf den Rücken und hob Nothung vor sich, um einem Angriff seines unsichtbaren Kerkermeisters zu entgehen.
    Als er wieder klar erfasste, was er vor sich sah, wurden seine Augen groß, und ein Keuchen entrang sich seiner Kehle.
    Keine Zelle hatte ihn gefangen, kein Bau aus Stein oder Eisen.
    Es war ein Kopf gewesen!
    Ein Kopf, sicher im Erdreich verwurzelt, groß wie ein Haus, mit struppigen Haaren und so dreckiger Haut, dass sie dem Boden unter ihr ähnelte. Und dennoch – ein Kopf.
    Mit nur noch einem Auge. Und einer blutigen Höhle, wo Siegfried sich den Weg gebahnt hatte.
    »Was ist das für ein Spuk?«, rief er. »Was für eine Gestalt bist du?«
    Der Kopf verzog stöhnend die Miene, das zerstörte Auge schmerzte sehr. Luft, durch die Nasenlöcher ausgestoßen, wirbelte Laub vom Boden auf. »Man nennt mich ... Mimir.«
    Siegfried rappelte sich auf, nun wieder zuversichtlich, die Oberhand zu haben. Er blickte auf die Stelle, an der das Haupt in den Boden überging. »Ist dein Körper eingegraben?«
    Mimir stöhnte. »Nein, nur noch Kopf bin ich. Odin verweigert mir den Tod, damit ich ihm täglich weissage.«
    »Und in deinen Schädel hatte man mich gesperrt?«
    »Es war der Gedanke, dass genügend Leid dich empfänglich gemacht hätte«, grummelte der Kopf, und faustgroße Speicheltropfen von seinen fleischigen Lippen tropften auf den Boden. »Ich sollte dir gut zureden, die Dinge hinzunehmen.«
    Siegfried trat an Mimir heran und setzte die Spitze Nothungs direkt vor das verbliebene gesunde Auge. »Möchtest du gänzlich erblinden, Riese?«
    In dem verbliebenen Auge war Panik zu erkennen. »Nicht! Das Wenige, was mir noch bleibt, ist der Ausblick in die Welt. Wenn ich nicht einmal mehr sehen kann, ist mein Leben grausame Ödnis!«
    »Dann sprich die Wahrheit nun, wo du sie vorher nur behauptet hast – was ist mit Xandria, Brunhilde, dem Reich?«
    »Odin wird mich strafen!«
    »Odin wird dich strafen, weil du mich hast entkommen lassen – nun entscheide dich, ob er einen blinden Kopf straft oder einen einäugigen!«
    Mimirs Kiefer mahlten ein wenig, dann fügte er sich ins Unvermeidliche. »Deine Königin lebt, und Brunhilde ist auch unversehrt. Wie lange das für Xanten gilt – das vermag ich nicht zu sagen.«
    »Dann mache ich mich besser auf den Weg«, sagte Siegfried und steckte das Schwert in seine Scheide.

    Von allen Reisen, die er unternommen hatte, war jene nach Utgard zweifellos die wunderlichste. Siegfried wünschte sich Nazreh an die Seite – der Araber hätte sicherlich ganze Bibliotheken gefüllt mit seinen Aufzeichnungen und Bildern. Die Prüfungen, denen der Prinz sich stellen musste, waren weniger mit dem scharfen Schwert zu bestehen, als mit scharfem Geist. Er konnte nur still den Menschen danken, die ihn auf seinem Weg begleitet hatten und von deren Erfahrungen er nun profitierte.
    Eine Anhöhe kam vor Siegfried in Sicht. Dort fühlte sich der Boden wieder an wie bei Yggdrasil, weich und beweglich. Doch umgehen wollte er sie nicht, hoffte der Prinz doch auf einen guten Blick
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