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Die Rache Der Nibelungen

Titel: Die Rache Der Nibelungen
Autoren: Torsten Dewi , Wolfgang Hohlbein
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greifbar wie in einer guten Erzählung.
    Da war Brunhilde, das sonst so kalte Gesicht im Schmerz verzerrt, die Hände sehnsüchtig ausstreckend, während Millionen von Händen an ihr zerrten und eine endlose Grube sie verschlang.
    Da war Xandria, im Gegensatz zu Brunhilde reglos. Ihr flammendrotes Haar war fahl geworden, der helle Teint grünlich und glänzend. Gebrochen die Augen, grau die Lippen, eingefallen die Wangen. Abgemagerte Gliedmaßen, die aus den Ketten, die sie hielten, leicht zu schlüpfen vermocht hätten.
    Und dann Theudebald, den Siegfried am Wappen auf der Brust leicht erkannte. Hinter sich Thelonius mit zufriedenem Gesicht. Und die Schande war nicht ihre Freundschaft – die Schande war der Ort, an dem sie sie feierten. Beide Männer standen auf dem großen Balkon der Burg Xanten und blickten über das einstige Reich, in dem nun die Flagge der Franken wehte.
    Die Bilder erloschen.
    »Was dir zu erkämpfen du versuchtest, ist verloren«, ertönte die Stimme. »Ich will dich nicht täuschen, noch kann ich dich trösten. Doch wenn du Frieden machst mit dem, was ist, dann kann ich dich begleiten, und nie mehr alleine wirst du sein.«
    Siegfried setzte sich, der Schädel pochend im Schmerz, der Körper taub, der Mut angeschlagen. »Dann gibt es nichts, wofür es sich zu kämpfen lohnt?«
    »Nicht kämpfen zu müssen ist Lohn in sich selbst«, sagte die Stimme. »Mit der Zeit wirst du Frieden finden. Vertraue mir.«
    Der Prinz tastete nach seinem Rücken, fand das Schwert Nothung noch an seinem Platz. Doch in der Tat – wofür sollte er noch kämpfen? Dieser dunkle Ort, er versprach Erholung. Wo es nichts zu sehen gab, da gab es auch nichts zu wollen. Und war das Wollen, war die Gier nicht der Ausgangspunkt von allem gewesen? Hatte das Wollen jemals mehr gebracht als Leid? War das Ergebnis des Wollens jemals wirklich das Haben gewesen?
    »Du wirst verstehen«, sagte die Stimme ruhig. »Und mit dem Verständnis kommt die Ruhe.«
    Siegfrieds Atem ging nun langsamer, sein Herz schlug im gleichmäßigen Rhythmus. Zum ersten Mal seit Monaten floss das Blut in seinen Adern ohne Antrieb, zog es seine Beine nirgendwo mehr hin.
    »Dein Wohl ist im Hier und Jetzt, nicht im Dort und Dann«, flüsterte die Stimme. »Was du kanntest, gibt es nicht mehr. Was du wolltest, wird es nicht mehr geben.«
    Ohne Wehmut gedachte Siegfried nun seiner Freunde, und er hoffte, dass sie in Frieden aus dem Leben gegangen waren. Thelonius, Jon, Gelen, Eolind. Bei der Erinnerung an seinen alten Ratgeber wurde ihm das Herz warm, und er spürte die strafende Hand auf seinem Hinterkopf.
    Denkt mit Eurem Verstand, nicht dem des Gegners
.
    Das war einer der Ratschläge Eolinds gewesen.
    »Du kannst mir glauben«, hallte es durch den kleinen lichtlosen Raum. »In meinem Wort ist Wahrheit.«
    Doch das Gesäusel verfing von einem Moment zum anderen nicht mehr. Die Worte Eolinds waren wie der Anker, den Siegfried brauchte, um sich in der Unendlichkeit dieses Dunkels nicht zu verlieren. Er stand auf und zog das Schwert Nothung. »Welchen Grund habe ich, zu glauben, was du mir erzählst?«
    »Mein Wort ist Wahrheit.«
    »Und was mehr habe ich als Versicherung, außer eben jenem Wort?«
    »Du hast gesehen, was es zu sehen gab«, antwortete die Stimme.
    »Deine Bilder sind genauso Trug wie deine Worte«, höhnte der Prinz. »Sie sollen mich einlullen, mir den Kampfgeist schwächen.«
    »Meine Worte sind Wahrheit. Je eher du es akzeptierst, desto eher wirst du dich hier in Frieden begnügen.«
    »Du bist der Wärter, der dem Gefangenen den Kerker schmackhaft machen will«, rief Siegfried. »Doch ich denke mit meinem eigenen Verstand. Und ich will frei sein!«
    »Es gibt keine Freiheit, wo es keinen Ausweg gibt«, sagte die Stimme, und sie schien ein wenig zu zittern. »Kein Ausweg.«
    »Ich glaube das gerne – wenn ich mich davon überzeugt habe.«
    Er begann, jeden Fleck in der seltsam gewölbten Zelle abzutasten. Manchmal war der Boden rissig, aber nie genug, um Nothung hineinzuzwingen. Als er zwei Schritte vorwärts machte, rutschten seine Beine weg und fanden erst einen Schritt tiefer wieder Halt. Es war, als habe er die ganze Zeit auf der Pritsche seines Kerkers gestanden und nun den Boden entdeckt. Doch da war kaum noch Raum, und die vierte Wand, die größte, verhinderte ein Fortkommen.
    Siegfried wünschte sich nichts mehr als die flammenden Hufe Hjordans, um zu sehen, in welch seltsamem Gewölbe er sich befand.
    »Mein Wort ist
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