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Die Rache der Engel

Die Rache der Engel

Titel: Die Rache der Engel
Autoren: Javier Sierra
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begriff, dass dieser » Mönch« meinen Namen nannte. Offensichtlich sprach er weder Spanisch noch Französisch oder Englisch. Zu allem Übel hatten auch meine ersten Versuche, mich mit ihm über Zeichen zu verständigen, nichts gebracht. Ich weiß nicht, warum, vielleicht sagte mir das mein Instinkt, aber aufgrund seiner Haltung, die eher zurückhaltend und unaufdringlich war, glaubte ich, dass dieser Typ sich verirrt hatte und mir nichts antun würde. Es wäre nicht das erste Mal, dass jemand die Schließung der Kathedrale verpasst hatte. Manche Pilger aus fernen Ländern konnten die Informationsschilder für die Besucher nicht verstehen. Hin und wieder blieben abends ein oder zwei von ihnen zurück, während sie in der Krypta vor den Reliquien des Apostels oder vor einem der Altare der 25 Kapellen beteten, und wenn sie dann gehen wollten, waren alle Ausgänge verschlossen und sie konnten weder hinausgelangen noch jemanden benachrichtigen… bis irgendwann die Alarmanlage ausgelöst wurde.
    Aber an diesem Mann war etwas, was ich nicht verstand. Seine Nähe wirkte irritierend auf mich, merkwürdig. Und mich beunruhigte, und zwar erheblich, dass er meinen Namen kannte und ihn zudem auf jede meiner Fragen hin wiederholte.
    Als ich wagte, ihn mit meiner Lampe anzuleuchten, erblickte ich einen groß gewachsenen, jungen Mann mit dunkler Haut und hellen Augen, von eher orientalischem Aussehen, der unter seinem rechten Auge eine kleine schlangenförmige Tätowierung trug. Er war mehr oder weniger so groß wie ich, und sein Körper wirkte athletisch. Sein Aussehen hatte etwas Verwegenes, ja Attraktives.
    » Es tut mir leid.« Ich zuckte mit den Schultern, als ich meine Begutachtung abgeschlossen hatte. » Sie können nicht hier bleiben. Sie müssen gehen!«
    Auch diese Aufforderung zeigte keinerlei Wirkung.
    » Ju-lia Ál-varez?«, wiederholte er nun schon zum vierten Mal.
    Möglichst ruhig versuchte ich ihm den Weg zu meiner Werkstatt zu zeigen, denn mit ein wenig Glück könnte ich ihn von dort hinausbringen. Ich deutete auf den Boden, damit er seine Sachen zusammenpackte und mir folgte, aber offensichtlich erreichte ich dadurch nur, dass er nervös wurde.
    » Kommen Sie!«, forderte ich ihn auf und griff nach seinem Arm.
    Das war ein Fehler.
    Der junge Mann schüttelte mich ab und umklammerte schreiend seine schwarze Tasche. Ich hörte ein Wort heraus, das wie » Amrak« klang. Mir lief es eiskalt den Rücken hinunter. Befand sich vielleicht Diebesgut in der Tasche? Etwas Wertvolles…? Womöglich aus der Schatzkammer der Kathedrale? » Beruhigen Sie sich. Es ist alles in Ordnung«, sagte ich zu ihm und nahm mein Handy aus der Tasche, um es ihm zu zeigen. » Ich werde um Hilfe bitten, damit man uns hier herausholt. Verstehen Sie?«
    Der Mann hielt den Atem an. Auf einmal sah er wie ein in die Enge getriebenes Tier aus.
    » Juli-a Álva-rez…?«, wiederholte er schon wieder.
    » Ihnen wird nichts passieren«, sagte ich beruhigend. » Ich werde den Notruf wählen… Sehen Sie? Und dann sind Sie gleich wieder draußen.«
    Aber auch nach mehreren Sekunden hatte das verdammte Handy keine Verbindung aufgebaut.
    Ich versuchte es ein zweites Mal. Und ein drittes Mal. Aber nichts geschah. Der Typ beobachtete mich unterdessen mit einem erschreckten Gesichtsausdruck. Ohne sich von der Stelle zu rühren, legte er bei meinem vierten Wählversuch die Tasche auf den Boden und gebot mir mit Gesten, sie anzusehen.
    » Was ist das?«, fragte ich.
    Und da sagte der Eindringling zum zweiten Mal etwas anderes als meinen Namen: Er lächelte, ehe er die Antwort gab, die ich am wenigsten erwartet hatte. Er nannte einen Namen. Einen Namen, den ich nur zu gut kannte:
    » Martin Faber.«

4
    Nur wenige Meter entfernt rasten zwei Polizeifahrzeuge, ein Kleintransporter der Guardia Civil sowie ein Feuerwehrwagen auf die Plaza de la Quintana. Sie waren die Calle Fonseca hochgekommen, nachdem sie von einer anderen Streife alarmiert worden waren, die inzwischen die Entwicklung des Lichtscheins in der Kathedrale überwachte. Anscheinend lag eine Feuermeldung aus dem Hostal de los Reyes Católicos vor.
    » Das sieht nicht nach einem Feuer aus, Inspector Figueiras«, murmelte der Polizist, der schon seit einiger Zeit auf der Plaza vor der Puerta de Platerías stand, dem südlichen Tor der Kathedrale, wo er bis auf die Knochen durchnässt das Kirchendach beobachtete.
    Der Inspektor, ein herber Typ, der sich im Kampf gegen den Drogenhandel in den Rías der
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