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Die Quelle

Die Quelle

Titel: Die Quelle
Autoren: Uwe Schomburg
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Sektgläsern in der Hand ausgelassen tanzte. Plötzlich fingen sie an zu klatschen und riefen seinen Namen.
    Er ließ die Jalousie herunter.
    Der Uniformierte griff nach seinem Handy, das einen Piepston von sich gab, und starrte eine halbe Minute mit versteinertem Gesicht auf das Wort. Dann schickte er selbst eine kurze SMS ab.
    »Soeben haben sich die Bedingungen geändert - zu Ihren Ungunsten.«
    »Was meinen Sie damit?«, fragte Kami-Passang.
    Der Uniformierte stand auf und betätigte den Schalter, der die Jalousie so weit öffnete, dass sie wieder hindurchblicken konnten.
    Von zwei Seiten drangen Soldaten in den Kontrollraum und richteten Waffen auf die feiernden Wissenschaftler.
    Kami-Passang war genauso überrascht wie seine Mitarbeiter, deren entsetzte Schreie die eben noch freudige Ausgelassenheit begruben.
    »Quarantäne«, sagte der Uniformierte nüchtern. »Für alle. Für Sie. Für Ihre Mitarbeiter. Für Ihre Familien.«

Erster Tag
    SONNTAG/MONTAG
    23./24. OKTOBER 2016
     

Kapitel 1
    B ERLIN
    »Niemand soll frieren, seinen Arbeitsplatz verlieren oder auf dem OP-Tisch sterben, weil wir nicht über genügend Strom, Öl oder Gas verfügen. Oder das nicht bezahlen können!«
    Bundeskanzler Arndt Fischer spannte im richtigen Moment die Muskeln an, schob seinen wuchtigen Körper leicht nach vorn und reckte energisch das Kinn, um seinen entschlossenen Tonfall zu unterstreichen.
    Sehr gut.
    Christoph Hagen, der energiepolitische Berater des Kanzlers, stand in den Kulissen vor einem Bildschirm, auf dem er überprüfen konnte, welche Bilder die Zuschauer empfingen. Fischers Tonfall und Körpersprache stimmten perfekt überein. Einfach klasse.
    Hagen bewunderte die Fähigkeit des Kanzlers, im Fernsehen derart glaubwürdig zu wirken und bei den Menschen daheim fast schon spielerisch zu punkten.
    Hagen besaß diese Gabe nicht. Obwohl er lange mit Medienberatern trainiert hatte, würde er nie diese besondere Aura ausstrahlen, die für Fernsehauftritte so wichtig war.
    Stimme und Tonfall, Statur und Gesten, Nachdenklichkeit und Aggressivität, ohne boshaft zu verletzen, Schlagfertigkeit und eine Prise Humor an der richtigen Stelle, gekonnte Mimik und einfache, klare Worte. Diese Essenz war es, die den Volkstribun von anderen abhob. Er ahnte die entscheidenden Momente geradezu voraus und witterte die Lücken in der gegnerischen Verteidigung, griff sie instinktiv an und zertrümmerte sie mit plakativen Argumenten, die interessanterweise sowohl den Arbeiter als auch den Studierten erreichten. Er kam einfach an.
    Hagen blickte auf die Uhr an der Studiowand. Die nächste Minute war um. Das letzte Drittel der einstündigen Sendung begann.
    Jetzt musst du durchstarten, dachte Hagen. Jetzt bist du bei unserem Thema. Deshalb sind wir hier.
    Fischer hatte bei der Bundestagswahl vor drei Jahren gesiegt, weil die Energiepreise dramatisch gestiegen waren, und die Kanzlerin sich mit dem Hinweis auf die Staatsverschuldung geweigert hatte, das freie Spiel des Marktes mit Staatsgeldern zu beeinflussen.
    Fischer hatte nach seiner Wahl ohne Hemmungen seine Versprechen eingelöst, indem er die Mineralölsteuer mehrfach gesenkt hatte, den Preis für den Liter Benzin nicht über drei Euro hatte steigen lassen und auch die Preise für Gas und Strom aus der Staatskasse gestützt hatte.
    Aber nun, ein knappes Jahr vor der nächsten Wahl, holten ihn die Probleme ein. Nachdem im Winter und Frühjahr immer neue Höchstmarken überschritten worden waren, hatte der Benzinpreis für einen Liter in den Sommerferien die Fünf-Euro-Marke geknackt. Die Zeitungen unkten schon, statt Computer und Smartphones würden nun Benzingutscheine die Renner unter den Weihnachtsgeschenken sein, und rechneten den Menschen vor, wie viel sie im Wahljahr an Heizkosten nachzahlen müssten.
    Es brodelte im Land, und Fischer stand mit dem Rücken an der Wand. Sein Ansehen lag bei Umfragen weit unter den Tiefstwerten seiner Vorgängerin.
    Es war Zeit, mit einer unmissverständlichen Botschaft Stärke zu demonstrieren. Der Winter stand bevor.
    Deshalb gingen sie mit lautem Tamtam in die Offensive.
    Die Bühne gehört dir ganz allein, dachte Hagen. Nutze sie!
    Dass Arndt Fischer sich für das Format am Sonntagabend in der ARD entschieden hatte, war eine Frage des Kalküls. Hier hatten die Medienberater seine Forderungen besser durchsetzen können als bei den anderen Sendern.
    Mit der späten Entscheidung des Bundeskanzlers für die ARD war zwar Hagens Plan für den heutigen
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