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Die Quelle

Die Quelle

Titel: Die Quelle
Autoren: Uwe Schomburg
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Abend verworfen worden. Aber was sollte er tun? Er war der Energieberater des Kanzlers, konnte bei einem Fernsehauftritt, bei dem Energie eines der zentralen Themen war, nicht fehlen.
    Dabei wäre Hagen gerade heute viel lieber an einem anderen Ort gewesen. Dort, wo womöglich eine Sensation geboren wurde.
    Er fand es sowohl beruhigend als auch beunruhigend, dass er bisher keine Neuigkeiten von dort gehört hatte. Beruhigend, weil er annehmen durfte, dass alles so lief wie geplant. Beunruhigend deshalb, weil man ihm gegen jede Absprache die Ergebnisse des Experimentes vorenthielt.
    Das laute Lachen der Zuschauer riss Hagen aus seinen Gedanken. Der Kanzler kam in Fahrt.
    Er würde gleich nach der Sendung anrufen, entschied Hagen und sah auf den Fahrplan der Sendung in seinen sorgsam manikürten Händen.
    Die Moderatorin hatte wie abgesprochen das richtige Stichwort geliefert und damit den Themenschwerpunkt eingeläutet, der die Menschen im Lande ganz besonders interessierte. Teure Energie spürte jeder im Geldbeutel, und die erst kürzlich wieder veröffentlichten Supergewinne der Mineralölkonzerne waren eine willkommene Gelegenheit, die wahren Schuldigen an den Pranger zu nageln.
    Der Kanzler musste die Spielwiese jetzt nur richtig nutzen - die bösen internationalen Konzerne mit den unverantwortlichen Managern, die gierigen Wall-Street-Investoren und seine Regierung, die alles versuchen würde, um die Preise zu senken.
    Der Bundeskanzler reckte den Kopf. Schon im Wahlkampf war diese herausfordernde Geste als Stärke interpretiert worden.
    »Die vordringlichste Aufgabe ist daher, Deutschlands Energie zu sichern und alles zu tun, um die langfristige Energiesicherheit auf ein stabiles Fundament zu stellen. Benzin und Öl müssen wieder bezahlbar werden und bleiben. Die Öl- und Gaslieferungen für den kommenden Winter müssen gesichert sein. Auf der Arktiskonferenz in Moskau werde ich in der nächsten Woche den im Frühjahr neu gewählten russischen Präsidenten treffen und werde unseren Forderungen - übrigens auch gegenüber dem amerikanischen Präsidenten - hinsichtlich der Mitnutzung der in der Arktis liegenden Reserven Ausdruck verleihen. Auf der anschließenden Energiekonferenz in Wien werde ich ein gemeinsames Vorgehen vorschlagen, in das auch China mit seinem unbändigen Energiehunger eingebunden werden soll. Und von den Vertretern der OPEC-Staaten werde ich die Sicherheit der Öllieferungen zu annehmbaren Preisen einfordern.«
    Beim letzten Wort des Kanzlers fiel das Licht aus.
    Dunkelheit.
    Schlagartig. Absolute Finsternis.
    Hagen zuckte zusammen.
    Eine Frau schrie schrill auf.
    Dann war es wieder hell. Das Licht der gleißenden Scheinwerfer schien Hagen nicht mehr ganz so hart und grell wie zuvor.
    »Was war das denn?«, entfuhr es dem Kanzler. Er lachte laut auf und schüttelte scheinbar amüsiert den Kopf.
    Das Lachen schien Hagen etwas zu laut, ein klein wenig zu aufgesetzt. Ein Tick zu viel.
    Hagen bemerkte rechts von sich eine Bewegung und wandte den Kopf. Ein paar Schritte entfernt stand Kanzleramtsminister Sieber und schüttelte energisch den Kopf. Die Bodyguards waren nur noch wenige Schritte vom Kanzler entfernt. Sie verstanden Siebers Kopfschütteln und zogen sich wieder zurück.
    »Eine kleine technische Panne«, rief die Moderatorin. »Aber wie Sie sehen, nichts Dramatisches. Das Licht ist wieder da. Liebe Zuschauer, wir entschuldigen uns für den kleinen Schrecken!«
    Die Moderatorin blickte breit lächelnd in die Kamera.
    »Herr Bundeskanzler, Sie waren noch nicht am Ende Ihrer Ausführungen.«
    Genau, dachte Hagen. Die Botschaft fehlte noch: Wir werden handeln.
    Die Pause ist etwas zu lang, dachte Hagen, der bis drei zählte, ehe der Kanzler mit ernstem Gesicht zu sprechen begann.
    »Die Planungen und Forschungen, die uns Energie in fünfzig Jahren versprechen, helfen uns  heute  nicht weiter. Stellen Sie sich vor, der Blackout eben hätte länger gedauert, von mir aus einen Tag oder eine Woche. Das kann nicht sein. Das  darf  nicht sein. Und die regenerativen Energien allein reichen nicht. Der Energiehunger der Welt wächst täglich in unvorstellbarem Ausmaß. Egal, ob es um Solarstrom aus der Wüste Afrikas geht oder um die Chancen der Fusionsforschung: das alles sind sinnvolle Projekte. Langfristig gesehen. Aber darüber werde ich unser  Hier und Heute  und auch unsere nahe Zukunft nicht vergessen.
    Wenn wir jetzt horrende Benzinpreise und Gasrechnungen zahlen müssen, weil
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