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Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler
Autoren: Tanja Kinkel
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Euch nichts«, erklärte Cesare kalt. »Euch müßte doch inzwischen klar sein, daß die Giftgeschichten nur auf Gerüchten beruhen. Solche Methoden überlasse ich Euren Neffen. Wenn ich Euch tot sehen möchte, habe ich andere Waffen, verlaßt Euch drauf.«
    Er warf einen vielsagenden Blick auf die Leiche, und die Tränen des alten Mannes hörten schlagartig auf. Er schien noch etwas sagen zu wollen, doch Richard war froh, einen Grund zu haben, den Raum zu verlassen. Draußen lehnte er sich einen Moment lang gegen die Wand und sog die Luft in sich ein wie reinigendes, kaltes Wasser. Er unterdrückte das Bedürfnis, sich zu übergeben. Dann bemerkte er, daß sich im Vorzimmer inzwischen der größte Teil von Kardinal Orsinis Dienerschaft versammelt hatte und ihnen halb wütend, halb ängstlich entgegenschaute.
    Richard sammelte sich. »Seine Eminenz ist durstig. Bringt ihm etwas zu trinken«, sagte er, Cesares Anweisungen aufs Wort gehorchend. Er atmete tief durch. Denn Cesare Borgia war zweifellos der gefährlichste und skrupelloseste Mann, der ihm je begegnet war. Unwillkürlich fragte er sich, wie lange er nach dem, was er gerade gesehen hatte, noch zu leben hatte.
    »Gefängnisse«, sagte Cesare, nachdem er den alten Kardinal hatte hinausbringen lassen, »sind nicht gerade die Gebäude, die ich gerne besuchen würde.«
    Er setzte sich mit der größten Selbstverständlichkeit auf den Tisch des Kardinals, mitten auf die Papiere, und aus irgendeinem Grund erinnerte dieses achtlose Verhalten Richard daran, daß Cesare nicht älter war als er selbst – noch nicht einundzwanzig Jahre.
    »Aber ich nehme an, diesen Teil kann ich Euch überlassen, oder, Riccardo? Zu Eurem Schutz gebe ich Euch ein paar von den Wachen mit.«
    Richard versuchte, nicht zu der Leiche des Sekretärs zu sehen, die immer noch wie vergessen auf dem Boden lag. Er entschied sich dafür, offen zu sein. Die Zeit für das Versteckspiel mit Worten war vorbei.
    »Falls der nächste Tag mich im Tiber finden sollte, würde ich lieber gleich sterben … Euer Eminenz«, sagte er daher. Er war überrascht über Cesares Gelächter. Der Mann konnte warm und herzlich lachen, ohne jede Andeutung von Hohn.
    »Das nenne ich kaltblütig«, sagte Cesare, als er sich wieder beruhigt hatte. »Ihr habt die ganze Zeit geglaubt, daß ich Euch am Ende erledigen werde, wie? Und Ihr seid nicht fortgerannt wie mein Dummkopf von einem Schwager. Ein Grund mehr, Euch nicht zu töten. Beruhigt Euch, Riccardo. Ich lasse niemanden umbringen, der mir noch nützlich sein kann, und ich schätze Mut. Nein, alles, was ich von Euch will, ist, daß Ihr das Mädchen aus dem Kerker holt … wie der Held im Märchen. Ein passendes Ende, nicht wahr?«
    Er hat es gewußt, dachte Richard und versuchte, nicht mit der Wimper zu zucken, während der Sohn des Papstes aufstand und sich ihm näherte, er hat die ganze Zeit alles über Saviya und mich gewußt.
    »Aber begeht keinen Fehler«, sagte Cesare sehr leise und sehr ernst. »Ein falsches Wort, und Ihr leistet dem Herrn auf dem Fußboden dort möglicherweise doch noch Gesellschaft. Denkt daran, ein kluger Mann weiß, wann er schweigt.«
    »Das sicherste Schweigen ist der Tod«, gab Richard zurück, der mittlerweile zu erschöpft war, um sich noch in Vorsicht oder Diplomatie zu üben. »Ich verstehe immer noch nicht, warum Ihr mich nicht einfach umbringen laßt. Oder warum Ihr mir überhaupt geholfen habt.«
    »Ich habe nicht Euch geholfen«, stellte Cesare kühl fest, »ich habe mir und meiner Familie geholfen und dabei den Orsinis ihre Grenzen gezeigt. Was Euch und Euer Leben angeht, ich tue nichts umsonst. Ihr schuldet mir gelegentlich einen Gefallen, Riccardo, und eines Tages werdet Ihr ihn mir erweisen, verlaßt Euch darauf.«
    Richard hatte den Eindruck, daß die letzten vierundzwanzig Stunden über ihm zusammenschlugen wie die Wellen über einem Ertrinkenden, doch er bemühte sich, den Kopf oben zu behalten. Er brachte mit letzter Kraft einen formvollendeten Abschied zustande, und es gelang ihm auch, nicht zusammenzuzucken, als Cesare Borgia ihn auf dem Weg ins Vorzimmer nochmals anrief.
    »Machen wir Nägel mit Köpfen, Riccardo. Ihr habt mir schließlich auch geholfen. Gibt es sonst noch etwas, das ich heute für Euch tun kann?«
    Er wollte schon verneinen, als die Erinnerung ihn wieder einholte. »Ja, in der Tat«, erwiderte er und ließ zum ersten Mal echte Erleichterung durchklingen. »Ich brauche einen Passierschein in die Toskana,
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