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Die Puppenmacherin: Psychothriller (German Edition)

Die Puppenmacherin: Psychothriller (German Edition)

Titel: Die Puppenmacherin: Psychothriller (German Edition)
Autoren: Max Bentow
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die japanische Kunst, kleine, gestopfte Tiere und menschenähnliche Kreaturen zu häkeln oder zu stricken. Nachdem sie einmal im Internet etwas darüber gelesen hatte, war sie regelrecht besessen davon. Sie hatte mit Schweinen, Hasen, Igeln und einem Opossum angefangen und war schließlich dazu übergegangen, Menschenpuppen im Manga-Stil herzustellen.
    Sie verkauften sich einigermaßen gut, zumindest reichte es, um die Miete für ihren kleinen Laden in der Weserstraße zu bezahlen, es gab auch selbstentworfene T-Shirts im Angebot und allerlei Krimskrams. Zur Not konnte sie immer auf die Unterstützung ihrer Eltern rechnen.
    Die Musik setzte ein. Josephin Maurer holte tief Luft. Der Film begann.
    Es war später Abend, man sah die Puppe in ihrem Puppenheim. Sie hatte große Augen, so groß wie die ihrer Schöpferin, und auch sie trug ihre Strickmütze tief in die Stirn gezogen. Niemals hätte Josephin Maurer auf ihre Mütze verzichtet, nicht im heißen August und auch nicht hier im Kino, so glaubte sie sich sicherer, unbehelligt, als dürfte ein Teil von ihr in ihrem Versteck bleiben. Diese Eigenschaft hatte sie ihrer Puppe mitgegeben, ebenso wie sie ihr ihren eigenen Spitznamen verpasst hatte: Josie.
    Milan wollte das nicht wahrhaben. Milan weigerte sich, in der Puppe Josie seine Freundin Josie wiederzuerkennen, für ihn war sie bloß irgendeine Manga-Figur, zufällig auch mit Strickmütze, zufällig mit ihrem Namen. Josie wusste nicht, was sie davon halten sollte. Denn dieses Wesen dort auf der Leinwand war niemand anderes als sie selbst.
    Milan hatte den Film in Stop-Motion-Technik gedreht. Das war eine mühselige Kleinarbeit, in der er jede Bewegung der Puppe einzeln aufnehmen musste, ein halbes Jahr hatte er für den zehnminütigen Clip gebraucht. Josie fand das zu lang, sie hätte nicht die Geduld dafür, aber das Drehen war nun mal Milans Part.
    Die Puppe streifte sich ein Nachthemd über und zog die Vorhänge vor. Josie hatte sie in den Schuhkarton gehängt, der das Puppenzimmer darstellte, auch die Tapeten hatte sie angeklebt und die kleinen Möbelstücke gebastelt. Ausstattung: Josephin Maurer. So wäre es im Abspann vermerkt, doch sie wusste nicht, ob sie bis dahin durchhalten würde.
    Sie war viel zu nervös, konnte nicht stillsitzen. Die Dunkelheit rief Beklemmungen in ihr hervor. Dazu kam die stickige Luft im Kino, was für eine idiotische Idee der Veranstalter, ein Animations-Kurzfilmfestival im August abzuhalten. Im Sommer sollte man sich nicht zu oft in geschlossenen Räumen aufhalten. Josie stellte sich vor, in diesem Moment irgendwo in dieser Stadt unterm befreienden Nachthimmel zu sitzen und ein kühles Getränk zu sich zu nehmen, irgendeinen Cocktail mit frischer Minze, ja, etwas Alkohol, das würde sie entspannen.
    Plötzlich tippte sie jemand von hinten an. Jede Berührung im Dunkeln war ihr unangenehm. Entsetzt fuhr sie herum.
    »Entschuldige, aber du zappelst so.«
    Sie konnte ihren Hintermann nicht genau erkennen, aber so viel stand für sie fest: Sein Gesicht gefiel ihr nicht.
    Sie drehte sich wieder nach vorn. Milan, der neben ihr saß, sagte etwas zu ihr, aber sie hörte schon nicht mehr zu. Sie murmelte eine Entschuldigung und stand auf.
    Die Puppe Josie wälzte sich gerade in ihrem Bett hin und her, sie trug noch immer ihre Strickmütze, selbst zum Schlafengehen setzte sie sie nicht ab, zumindest darin unterschied sie sich von der realen Josie. Die Tür, die kleine Papptür im Schuhkarton, wurde aufgestoßen, dazu erklang das grässliche Sounddesign, auch dafür war Milan verantwortlich. Das Knarren der Tür war unheimlich verstärkt, ein paar verzerrte Akkorde erschallten, und gleich würde dieses Spinnenwesen im Zimmer auftauchen. Josie hatte Tage dafür gebraucht, ihm all die kleinen metallischen Teile anstelle der Beine anzubringen, fiese, spitze Instrumente, die das Wesen vor der erschreckten Puppe Josie ausbreiten würde.
    Die Musik wurde lauter, und das Ungetüm näherte sich dem Bett. Josie kannte die Szene, Milan hatte sie ihr bestimmt an die hundert Mal vorgeführt. Die Spinne war seine Idee gewesen, und sie hatte eingewilligt, sie für ihn anzufertigen, aber es hatte ihr nicht gefallen. Sie musste sich eingestehen, dass ihr ein Großteil des Films nicht gefiel, aber so war Milan eben nun mal. Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, brachte ihn nichts mehr davon ab.
    »Der Film muss etwas Unheimliches haben«, hatte er zu ihr gesagt, »wir müssen das Niedliche deiner
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