Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Prüfung: Kriminalroman (German Edition)

Die Prüfung: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Prüfung: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Kristian Schlüter
Vom Netzwerk:
zu ziehen oder Zusammenhänge zu erkennen. Doch sie hatten bisher einfach zu wenig. Nicht einmal die Identität des Opfers. Parallel zu ihrer Arbeit liefen die Untersuchungen der Spurensicherung, und Kalle hatte in der Zwischenzeit mit der Obduktion begonnen, es würde Hinweise geben. Bisher hatte es Schönlieb nicht erlebt, dass ein Täter keine Spur hinterließ.
    Wallner stand unterdessen vor einem großen Whiteboard, an das er kleine Zettelchen mit Magneten anheftete. Wallner war da altmodisch. Neben dem Erfassen der Hinweise auf dem Computer bestand er darauf, alles weiterhin sichtbar auf der großen weißen Magnetwand festzuhalten.
    Um 0:15 Uhr schaute Schönlieb zum ersten Mal auf die Uhr. Sein Magen knurrte. Kein Wunder. Sein ohnehin nur sehr bescheidenes Abendessen im Stadion war schließlich unterbrochen worden. Schönlieb beschloss, sich etwas zu essen zu kaufen. »Soll ich dir etwas mitbringen?«, fragte er Wallner. Doch der murrte nur unfreundlich zurück. Anscheinend passte es ihm nicht, dass Schönlieb einfach seine Arbeit unterbrach. Doch Schönlieb konnte nicht anders. Sein leerer Magen rebellierte, und er würde nicht einen vernünftigen Gedanken mehr fassen können, wenn er nicht schnell etwas zu essen bekam. Er zog sich seine Jacke über und verließ das LKA-Gebäude.
    Es schneite immer noch stark. Es wirkte, als würde die Welt sich eine große weiße Decke über den Kopf ziehen, um darunter stillzustehen. Alles erschien gedämpft und bewegungslos. Selbst die wenigen Autos, die sich zu dieser Zeit auf der Straße befanden, bewegten sich scheinbar geräuschlos fort. Dort, wo die dicken Schneeflocken auf Schönliebs Gesicht landeten, schmolzen sie sofort. Mit schnellen Schritten ging Schönlieb die Straße entlang in Richtung U-Bahnhof. Neben dem Bahnhofsausgang befand sich Schönliebs Ziel: eine Dönerbude. Das Licht, das durch die großen Fenster nach draußen drang, ließ sie warm und gemütlich erscheinen.
    Schönlieb betrat die kleine, warme Dönerbude.
    Der Besitzer begrüßte ihn freundlich. An einer Wand hing ein kleiner Flachbildfernseher, auf dem ein türkischer Musiksender lief.
    Schönlieb bestellte sich einen »Döner mit Alles«. Der vom Fett glänzende Dönerspieß hatte schon deutlich an Volumen verloren und sah aus wie ein abgenagter Knochen. Nachdem er bestellt hatte, ging er zum Getränkekühlschrank und nahm sich eine Dose Red Bull, vielleicht würde die helfen gegen die Müdigkeit, die ihn langsam übermannte.
    Nachdem ihm der Döner gereicht worden war, lehnte er sich auf einen hohen schwarzen Tresen, der direkt am großen Fenster zur Straße stand. Schönlieb trank langsam aus der Dose und biss immer wieder große Stücke von seinem Döner ab. Dabei beobachtete er die wenigen vorbeigehenden Menschen, die sich leicht vorgebeugt, das Kinn auf der Brust, gegen den Schneesturm stemmten.
    All diese Menschen lebten. Sie waren unterwegs, vielleicht auf dem Weg nach Hause oder zu einem Freund. Sie hatten Ziele, planten die Zukunft, dachten über die Vergangenheit nach, sie lachten, sie weinten, sie liebten, aßen, tranken oder schliefen.
    Doch der junge Mann, der im Wasserbecken gelegen hatte, der war tot.
    Schönlieb dachte an das Gesicht des jungen Mannes. Es waren diese stillen Momente hinterher, nach dem Trubel am Tatort, in denen ihm bewusst wurde, was er gerade gesehen hatte. Einen toten Menschen. Einen toten jungen Mann. Sie würden seine Identität ermitteln, und dann würde hinter dem momentan noch Namenlosen, aus dem dichten Nebel der Vergangenheit eine Familie treten, dahinter kämen die Freunde und die Erinnerungen und Erfahrungen. Er würde den Toten kennenlernen, vielleicht besser, als ihn seine Freunde gekannt hatten. Schaute man jedoch in die andere Richtung, nach vorne, in die Zukunft, würden die schemenhaften Formen, die man noch vor Kurzem hatte erahnen können, langsam verschwinden. Der Nebel würde sie verschlingen, und er würde sich nie wieder auflösen.
    Schönlieb nahm noch einen großen Schluck aus der Getränkedose. Er musste sich zwingen, klar und rational zu denken. Nicht das Trauern war sein Job, sondern die Aufklärung des Falles. Schönlieb aß den Döner schnell auf, nahm einen letzten großen Schluck Red Bull, wischte sich den Mund mit der dünnen Papierserviette ab und stellte die leere Dose auf den Tresen.
    Dann ging er schnellen Schrittes zurück ins Büro.
    Als er eintrat, war Wallner gerade dabei, in sein Handy zu sprechen. »Es tut mir wirklich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher