Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Prophezeiung der Steine

Die Prophezeiung der Steine

Titel: Die Prophezeiung der Steine
Autoren: Pamela Freeman
Vom Netzwerk:
wütend und misstrauisch. So lange, bis sie ihnen antwortete.
    Bis zu diesem Punkt war ich der Starke gewesen, der vor der Dunkelheit Unerschrockene. Aber nun, als ich vor Angst zitterte, stand Safred aufrecht und sang ihr Lied von Sanftheit, von Güte und von Heilung.

    Schnell reagierten sie nicht darauf. Das sollte ich noch lernen - bei den Höhlenbewohnern ging überhaupt nichts schnell. Oh, ich verbrachte eine aufregende Zeit dort, den beiden Liedern lauschend, bei denen es um unsere Sicherheit ging. Safred sang unermüdlich, und schließlich hörten sie eine Weile zu, ohne ihrerseits zu singen, und wir waren gerettet.
    Jedenfalls glaubten wir das. In unserem Dorf erklärte sich Terin bereit, den Kriegsherrn durch die Höhlen zu führen, weil man ihm versprochen hatte, seine Mutter und seine Schwester dann am Leben zu lassen und weil er selbst um sein Leben bangte. Schon damals konnte ich es ihm nicht verübeln. Wenn man mir Nima und March mit dem Messer an den Kehlen gegenübergestellt hätte, hätte ich dann den Mut aufgebracht, mich Masil zu widersetzen? Ich sage euch die Wahrheit, und die Wahrheit lautet, dass ich es nicht weiß.
    Ich glaube, die Quelle des Gesangs führte sie ebenso gut wie Terin zu uns. Unter der Erde trägt der Schall weit. Wie dem auch sei, als der Gesang der Höhlenbewohner lieblich wurde und ich mich endlich entspannte, stießen sie auf uns. Ich löschte die Laterne, aber es war schon zu spät. Sie hatten uns gesehen. Und wir sahen sie. Lord Masil war umgeben von zwei Männern mit lodernden Fackeln.
    »Seid gegrüßt, meine Tochter«, sagte er, und seine Stimme war volltönend und warm. Dass der Gesang, den er vernommen hatte, von den Höhlenbewohnern stammte, begriff er nicht. In seinen Augen waren sie dunkle, runde Geröllblöcke. »Ich habe lange auf diesen Moment gewartet.«
    Als Masil dastand mit seinem in den Flammen schimmernden roten Haar und seinen breiten Schultern, verstand ich meine Schwester Perian zum ersten Mal. Sie hatte ihn einmal geliebt. In diesem Augenblick grämte es mich, dass
ich sie wegen ihrer Treulosigkeit gehasst hatte und nach ihrer Rückkehr wie die anderen Dorfbewohner verächtlich »die Lady« genannt hatte, um sie zu beschämen.
    Als sie starb, war sie erst achtzehn, jünger noch als meine Nima.
    In diesem Augenblick bereute ich meine Unnachgiebigkeit.
    »Zeit, nach Hause zu kommen, Tochter«, sagte er und streckte ihr die Hand entgegen.
    Sie aber sagte: »Ich habe kein Zuhause, in das ich zurückkehren könnte. Du hast es zerstört. Wie viele Menschen hast du verbrennen lassen, bevor du jemanden gefunden hast, der dich führt?«
    Und so erfuhr ich vom Tod meiner Mädchen und lernte von Neuem den Hass kennen.
    Die Männer hinter ihm riefen angesichts ihrer seherischen Fähigkeit erstaunt auf. Er selbst aber schwieg. »So viel ich musste«, sagte er schließlich. »Du bist für mich mehr wert als tausend Leben.«
    »Ich bin nicht mehr wert als irgendein anderer«, sagte Safred, »und du auch nicht.«
    Seine Miene verzog sich vor Wut. »Diesen Streit habe ich schon oft mit deiner Mutter ausgetragen. Von dir will ich das nicht hören. Ergreift sie.«
    Seine Männer traten vor, doch Safred sang einen schrillen Ton, rasch und scharf. Während die Männer auf sie zusprangen, muss es ihnen so vorgekommen sein, als seien die Felsen unter ihren Füßen zum Leben erwacht, denn die Höhlenbewohner erhoben sich und drängten sie, so furchteinflößend wie ein schneidend kalter Winter, langsam, aber bestimmt zurück.
    Ich packte Safred und zog sie fort, einem Höhlenbewohner folgend, der leise zu uns sang, um uns den Weg zu weisen.
Ihr Vater schrie hinter uns her: »Ich werde dich finden! Ich werde suchen, bis ich dich gefunden habe, Tochter!«
    Ich wusste, dass er die Wahrheit sagte, denn er war rasend vor Wut über die Schande, von ihr abgewiesen worden zu sein, und würde nicht ruhen, bis diese Schande getilgt war. Und ich wusste, dass er letzten Endes einen Weg um die Höhlenbewohner herum finden würde, da diese keine Waffen besitzen, sondern nur Stärke und den Überraschungsmoment.
    Also scheuchte ich sie schnell durch den Tunnel, durch Wege, in denen ich noch nie zuvor gewesen war, bis wir nach vielen und ermüdenden Kilometern in die größte Höhle kamen, die ich jemals gesehen habe. Hier konnten wir alles erkennen, denn aus einem großen See drang ein Lichtschein, ein perlweißes Licht, das die Höhle erhellte, als wäre es Tag. Dort waren Formen, die das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher