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Die Prophezeiung der Steine

Die Prophezeiung der Steine

Titel: Die Prophezeiung der Steine
Autoren: Pamela Freeman
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genannt, und ich hatte mich darauf vorbereitet, seit der erste Pilger gekommen war. Das Dorf half mir dabei. Wir zeigten ihm Tamany, die zwar ebenfalls grüne Augen hatte, jedoch nie und nimmer das Kind der Lady oder des Kriegsherrn hätte sein können. Er ging wieder fort, aber ich wusste, dass es Zeit war zu verschwinden.
    Safred wollte bleiben, bis sie mit allen Pilgern gesprochen hatte, die darauf warteten, sich ihr anzuvertrauen. Ich wusste, dass der Strom der Pilger nie abreißen würde. Wir stritten uns heftig. Das war das erste Mal, dass ich ihre Fähigkeit zu spüren bekam, mit Worten zu kämpfen, und die Überraschung ließ mich verstummen. Das war mein großer Fehler. Ich hätte sie zurückweisen müssen. Dann wäre vielleicht alles anders gekommen, und meine Kinder und Enkel würden vielleicht noch leben.
    Wir blieben noch eine Woche. Am letzten Tag kam einer der Ziegenhirten ins Dorf gelaufen und rief, der Kriegsherr persönlich komme, um die Zauberin zu sehen. Ich rief laut nach Safred, aber sie ließ den Pilger, der gerade bei ihr war, nicht allein; er schrie und jammerte, als liege er im Sterben.
Also zerrte ich sie an den Haaren heraus und schüttelte sie, damit sie wieder zu Sinnen kam.
    »Deine Mutter ist gestorben, um dir Freiheit zu schenken«, sagte ich, nicht in der Lage, sanft mit ihr umzugehen. »Willst du ihr Geschenk wegwerfen, willst du auf ihr Grab spucken? Willst du die Tochter eines Kriegsherrn sein, eine Schachfigur für Bündnisse und Vertragsabschlüsse?«
    Ein Teil von ihr wollte wahrscheinlich bleiben, um ihren Vater zum ersten Mal zu Gesicht bekommen, aber dann folgte sie mir doch, halb benommen. Ich führte sie einen Pfad den Hang hinauf zur gleichen Höhle, in der wir sie als Baby versteckt hatten und in die ich Vorräte gebracht hatte. Wir waren nicht schnell genug. Der Kundschafter des Kriegsherrn erblickte uns, und sie folgten uns rasch.
    Aber ich hatte mich auf diesen Tag und diese Gefahr vorbereitet. Also führte ich sie in das Labyrinth der Höhlen hinein, das ich über Monate hinweg erforscht hatte. Monate, während denen ich mein Haus nicht mehr betreten konnte aus Furcht, das Geheimnis eines anderen zu hören. Monate, in denen ich mir diesen Tag immer wieder vor Augen führte.
    Es gab noch andere im Dorf, die sich in den Höhlen auskannten. Aber niemand wollte den Kriegsherrn dorthin führen. Also steckte er das Dorf an, und alle Menschen darin verbrannten, Männer und Frauen, Erwachsene und Kinder, und so verlor ich meine Nima und meine March und auch ihre Kinder, alle drei. Nie werde ich sie zurückbekommen. Und nie werde ich aufhören, sie zu betrauern.
    Keine Dunkelheit ist so tief wie jene unter der Oberfläche der Erde. Kein Lichtschein durchdringt sie. Es ist dort nicht kalt und nicht heiß, aber je nachdem, wo das Wasser durch die Höhle fließt, kann es dort feucht oder trocken, laut oder leise sein. Die Höhlen, in die wir flüchteten, wurden von
Wasser geformt, und Wasser fließt ständig durch sie, tropfend, fließend, brausend, hämmernd. Bei der Orientierung auf unserem Weg halfen mir meine Ohren durch das, was sie hörten, meine Augen durch das, was sie sahen, und meine Hände durch das, was sie ertasteten. Ich verließ mich auf die Geräusche wie auf die Markierungen, die ich während meiner zahllosen Erkundungsgänge hinterlassen hatte.
    Dieser Ort hatte etwas Sonderbares an sich, das ich euch gar nicht beschreiben kann. Das ist einer der Unterschiede zwischen Safred und mir. Für sie sind die Höhlen ein Ort des Grauens und der Furcht, während sie für mich ein Wunderwerk der Natur waren.
    Mit einer kleinen Laterne suchten wir uns einen Weg durch die Finsternis, wobei Safred die ganze Zeit über wimmerte. Und tief in der dunkelsten Höhle begegneten wir dann den Höhlenbewohnern. Ich war dabei, und ich sage euch die Wahrheit. Es gibt sie wirklich, diese dunklen, kleinen Menschen, die Felsesser. Auf den ersten Blick sehen sie aus wie Geröll, ganz rund und schwer. Wenn sie sich bewegen, dann langsam, viel langsamer als du oder ich, aber nichts kann ihnen den Weg versperren. Sie sind natürlich blind, orientieren sich anhand ihres Geruchssinnes und auch ihres Gehörs, das so gut wie das einer Fledermaus ist. Bevor wir uns dessen bewusst wurden, hatten sie uns umzingelt. Ein tiefes Brummen erfüllte die Höhle. Es war ein ähnlich unmenschliches Geräusch wie das, welches Safred von sich gab, wenn sie zauberte. Aber das Lied der Höhlenbewohner klang
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