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Die Prophezeiung der Seraphim

Die Prophezeiung der Seraphim

Titel: Die Prophezeiung der Seraphim
Autoren: Mascha Vassena
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einen Schlag, der ihn gegen eine Säule prallen ließ. Der Adler fiel zu Boden, wo er sich zu Julies Überraschung in ein Mädchen verwandelte – eine der Seraphim, die vorher um das Feuer gestanden hatten.
    Julie hielt sich nicht mit der Frage auf, warum die Seraph die Seiten gewechselt hatte, sie griff nach dem Schlüssel und befreite zuerst sich und dann Ruben von den Fußschellen. Dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Erzengel, um den sich die übrigen Seraphim scharten. Wie immer, wenn sie zu viel Magie benutzt hatte, war sie erschöpft und ihr Kopf hämmerte, doch sie zwang sich, noch einmal das blaue Licht auszusenden.
    Die Seraphim waren nicht darauf vorbereitet: von unerklärli cher Angst ergriffen, flüchteten sie in unterschiedliche Richtungen. Doch dann brach Julies Lichtstrahl ab, sie hatte keine Kraft mehr. Hilflos beobachtete sie, wie die Seraphim zurückkehrten und sich erneut um den Erzengel drängten und ihm halfen, sich aufzurichten.
    Als er Julie entdeckte, erhob er sich. »Mir gefällt dein Benehmen nicht«, sagte er ruhig und kam ohne Eile auf sie zu. »Glaukos, der Dolch.«
    Der blonde Seraph machte eine nachlässige Geste, der Dolch erhob sich vom Boden und schwebte hinter dem Erzengel her, der sich langsam näherte und bösartig lächelte.
    Verzweifelt robbte sie hinter den Altar und überlegte, was sie tun könnte, da regte sich neben ihr Ruben, hustete und schlug die Augen auf.
    Ruben konnte kaum schlucken, so trocken war sein Hals. Dankbar nahm er wahr, dass er nicht mehr kopfüber in der Luft hing, sondern auf kaltem Stein lag. Es roch nach Ruß und verkohlter Haut. Julie kauerte neben ihm, und als er ihrem Blick folgte, sah er Cal – Kronos – auf sie zukommen. Der Erzengel pflückte einen Dolch, der neben ihm schwebte, aus der Luft und lächelte.
    »Kommt heraus, liebe Kinder«, lockte er, »bevor Papa richtig böse wird.«
    »Komm uns doch holen!«, brüllte Julie unerwartet laut und stand auf. »Und mein Vater bist du nicht. Mein richtiger Vater ist tot, und ich schwöre, dass ich dich dafür in die Hölle schicke!«
    Ruben war beeindruckt von Julies Mut, doch Kronos lachte nur. »Damit drohst du mir? Mich dahin zu schicken, wo ich herkomme?« Seine Miene wurde ernst. »Beenden wir dies, ich habe heute noch anderes zu tun.«
    Cherubim lösten sich aus den Schatten der Säulen und bildeten hinter dem Erzengel einen Halbkreis. Ruben wünschte sich in diesem Moment nichts mehr als eine Gabe, die im Kampf nützlich wäre. Hilflos nahm er Julies Hand: »Es tut mir wirklich leid, aber ich muss das tun.«
    Dann stand er auf, hob ebenfalls die Arme und rief: »Vater! Ich biete dir mein Blut aus freien Stücken. Du musst mich nicht töten. Meine Treue habe ich dir bewiesen, und du hast selbst gesagt, dass wir gemeinsam Großes vollbringen könnten.« Obwohl er vor Angst kaum aufrecht stehen konnte, trat er hinter dem Altar hervor und ging langsam auf Kronos zu.
    Auf dessen Gesicht zeichnete sich Verblüffung ab, dann lächelte er. »Welch heroisches Angebot, mein Sohn. Komm an meine Seite und sieh zu, wie deine verräterische Schwester stirbt.«
    »Du könntest auch sie am Leben lassen, Vater. Im Verlies ist sie keine Gefahr mehr für uns.« Ruben versuchte, das Zittern in seiner Stimme zu unterdrücken und Kronos in die Augen zu blicken. Der Erzengel schien das Angebot einige Augenblicke lang in Erwägung zu ziehen, dann sagte er: »Nein. Sie kommt zu sehr nach ihrer Mutter. Und nun bringen wir die Angelegenheit endlich zum Abschluss.«
    Der Erzengel winkte und die anderen Ratsmitglieder schlossen zu ihnen auf. Elisabeth d’Ardevons Augen glühten weiß, der Saum ihrer Robe flatterte. Er durfte sie nicht ansehen!
    Ruben drehte sich zu Julie um. Sie klammerte sich am Altar fest, man sah ihr an, wie erschöpft sie war. Ungläubig starrte sie ihn an, ihre Lippen bewegten sich lautlos. Sie glaubte, er hätte sie wieder verraten, und ihn durchzuckte kurz ein scharfer Schmerz. Doch für den Moment konnte er nicht ändern, dass sie ihm nicht vertraute; es war sogar besser so.
    »Lass mich die Klinge führen, Vater«, sagte er. »Um dir zu zeigen, wie ergeben ich dir bin.«
    »Nicht so schnell!«
    Ruben und der Erzengel fuhren herum. Hinter der Feuerschale kam Fédéric hervor. Er hielt das goldene Ankh der Comtesse in der erhobenen Hand. »Wie nachlässig, nicht auf seinen Schmuck zu achten.«
    »Das wagst du nicht, du Dieb!« Die Stimme der Comtesse hallte durch die Kirche.
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