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Die Prophetin von Luxor

Die Prophetin von Luxor

Titel: Die Prophetin von Luxor
Autoren: Suzanne Frank
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Dann schwang Cammy die Peitsche, und es wurde ernst mit dem Touristenprogramm. Um sieben Uhr früh ließ sie mich durch das Tal der Könige wandern, danach folgte eine ausgedehnte Tour durch den Deir El-Bahri, den Grabtempel der Königin Hatschepsut. Allerdings war man damals, wie Camille mir erklärte, entweder Pharao, was wörtlich übersetzt »Großes Haus« hieß, oder man war Untertan. Da es kein Wort gab, das auf eine Königin als absolute Monarchin gepaßt hätte, waren alle Verweise auf Hatschepsut männlich. Darum wurde sie gewöhnlich auch als Mann dargestellt.
    Camille dozierte in ihrer Vorlesungs-Stimme: »Niemand weiß, wie es dazu kam, daß ihr Tempel, ihre Obelisken und die
    übrigen Monumente symbolisch zerstört wurden -«
    Ich fiel ihr ins Wort. »Symbolisch zerstört?«
    »Ja. Ihr Name wurde ausgelöscht, verstehst du? Und ohne einen Namen war ihr das Leben nach dem Tod verwehrt; wenn jede Erinnerung an sie ausgelöscht wurde, wurde sie damit auch im Jenseits ausgelöscht. Namen waren äußerst wichtig; selbst die wahren Namen der Götter wurden geheimgehalten, um sie zu schützen. Zum Beispiel bedeutet >Amun< wörtlich >Der Verborgene< was mit ein Grund dafür ist, daß er solche Macht hatte. Indem man Hatschepsuts Name ausradierte, machte man sie also zu einer Unbekannten, die durch die Zeit und die Ewigkeit irren muß.«
    Ich betastete die ausgemeißelte Kartusche.
    »Wie gemein! Ich habe gedacht, Pharaonen wurden, ungeachtet ihres Geschlechts, als menschgewordene Götter verehrt? Wer hätte so etwas befehlen können?«
    Während ich sprach, drehte sich mir der Magen um. Ich spürte, wie etwas um mich herum weiter wurde, wie der Raum anwuchs, als würde ich über einem Abgrund schweben; unvermittelt roch ich Zitrus und Weihrauch. Ich blinzelte hastig, streckte den Arm aus, um mich an den grellweißen Steinmauern festzuhalten, und versuchte, die verschwommenen Bilder wieder zur Ruhe zu zwingen.
    Ich sah Cammy an. »Wie?«
    »Ich habe gesagt: >Du hast mehr über Ägypten aufgeschnappt, als du glaubst, Schwesterherz<«, wiederholte Cam-my.
    »Und was hast du davor gesagt?«
    Sie runzelte die Stirn, offensichtlich verwirrt. »Davor?«
    »Ja. Du hast mich irgendwie genannt, es hat mit >R< angefangen; ein Wort, das ich noch nie gehört habe. Re-irgendwie? Oder vielleicht war es Ra .«
    Cam bedachte mich mit einem schiefen Blick. »Hatschepsuts Geist muß dir zusetzen, Chloe, ich habe überhaupt nichts zu dir gesagt. Geht es dir nicht gut? Hast du zuviel Sonne abgekriegt?«
    Ich blickte über die säulenbestandene Terrasse. »Nein, es geht schon. Wahrscheinlich war es nur der Wind oder so.«
    »Wahrscheinlich. Manchmal pfeift es ganz schön durch die Anlage hier.« Sie fing mit einer Hand ihr wehendes Haar ein, drehte es geschickt zu einem Knoten und steckte ihn mit ihrem Stift fest. »Um deine Frage zu beantworten, die meisten Historiker und Archäologen nehmen an, daß Thutmosis der Dritte Hatschepsuts Hinterlassenschaft entstellt hat, und zwar aus Haß, weil sie ihn über zwanzig Jahre lang vom Thron verdrängt hatte. Im Grunde ist das Terra incognita in der Ägyptologie. Niemand weiß etwas, und es gibt keine Belege, abgesehen von dem, was stehengeblieben ist.«
    Schweigend betrachteten wir die eleganten Rampen und Säulen, die in das zerklüftete Felsgestein dahinter übergingen und dadurch die Eleganz des Bauwerks wie auch die Stärke des Felsens hervorhoben. Es war eine perfekte künstlerische Aussage. Ich knipste ein paar Bilder, probierte dabei verschiedene Winkel aus und wünschte, ich hätte mir vor der Abreise aus Dallas noch ein Weitwinkelobjektiv zugelegt.
    Der Tempel war ein Denkmal für einen Irrweg in der ägyptischen Geschichte, ein Triumph der Kunst über menschliches Begehren, denn allen Bemühungen ihrer Nachfolger zum Trotz lebte Hatschepsut in diesem architektonischen Meisterwerk weiter. Dies hier war ihre Unsterblichkeit.
    Cammy wanderte durch die sonnendurchfluteten Säulenhallen und übte sich darin, die verblichenen Hieroglyphen zu lesen, während ich im Staub kauerte und Rohskizzen von den zum Himmel strebenden Säulen mit ihren eingemeißelten Frauengesichtern machte. Was hatte ich vorhin gehört? Es war ein kaum vernehmbares Wort gewesen, das Undefiniert am Rande meines Bewußtseins herumgeisterte. Nur der Wind, ermahnte ich mich mit einem innerlichen Kopfschütteln, und
    widmete mich wieder meinem Skizzenblock.
    Bis zum Ende der Besichtigung schwiegen wir, jede in ihre
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