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Die Prophetin von Luxor

Die Prophetin von Luxor

Titel: Die Prophetin von Luxor
Autoren: Suzanne Frank
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Informationen über die Regentschaft seines Thronfolgers.«
    Wir bogen auf die Hauptstraße ein. Von den Kreuzfahrtschiffen entlang dem Kai wehten Geräusche zu uns herüber: Männer- und Frauenlachen, Klaviermusik und das allgegenwärtige arabische Radio. Wir gingen in einvernehmlichem Schweigen,
    und ich sann darüber nach, was ich gesehen hatte.
    »Ist es möglich, daß du dich irrst, was die Dynastie angeht? Könnten sie aus der Zeit eines anderen Pharaos stammen?«
    »Die Papyri stammen aus der Zeit Thuts. Es gibt einfach keine Erklärung für die Arbeiten und dafür, wie sie angefertigt wurden. Gibt es vielleicht einen Aspekt des alten Ägyptens, der uns völlig entgangen ist? Selbst die naturalistischsten Kunstwerke sind ausschließlich zweidimensional.« Sie seufzte und lachte dann. »Wenn wir auf so was stoßen, kommt mir die gesamte Wissenschaft der Ägyptologie plötzlich nur noch wie ein gelehriges Ratespiel vor.«
    Ich reagierte, ohne nachzudenken. »Das ist sie sowieso.«
    Cammy seufzte im Dunkeln. »Das ist deine Meinung. Unsere Ratereien werden immer gelehrter. Wir sind in der Lage, die Dinge mit größerer Gewißheit festzustellen. Wir haben Fakten.«
    »Wie ...?« fragte ich nach, wider Willen fasziniert.
    »Wie Senmut. Er war Großwesir am Hofe Hatschepsuts. Fünf Jahre vor dem Ende ihrer Regentschaft gibt es plötzlich keine weiteren Unterlagen mehr über ihn. Sein Bildnis wurde in ihren Tempel in Deir El-Bahri gemeißelt und wieder entfernt. Sein Leichnam wurde nie gefunden. Es gibt ein paar Hinweise darauf, daß Ägypten während dieser letzten fünf Jahre einige innere Unruhen erlebte, wir wissen aber nicht welche und warum. Wir wissen auch, wann Hatschepsut starb, aber nicht wie. 1458 vor unserer Zeitrechnung folgte ihr Thut der Dritte. Das sind Tatsachen.«
    Ich sah meine Schwester an, während das Licht vom Fluß gleichermaßen auf unseren beiden Gesichtern spielte. »Was ist, wenn du entdeckst, daß Senmut seinen Namen geändert und noch lange Jahre gelebt hat? Oder daß Hatschepsut verbannt und die Gemahlin eines fremden Königs wurde? Was du als Fakten bezeichnest, kommt mir wie reine Theorie vor. Man kann sie weder beweisen noch widerlegen. Meine Vorstellung von Tatsache ist ...« Ich suchte nach einem Beispiel aus meiner Welt. »Rot und Blau ergeben Violett. Ganz gleich wie oft, unter welchen Umständen oder mit welcher Methode, wenn man Rot und Blau mischt, erhält man einen Violett-Ton. Jedesmal.«
    Cam sah mich entnervt an. »Paß auf, Chloe, niemand wird jemals irgend etwas mit absoluter Sicherheit wissen. Wir können nicht beweisen, daß Gott existiert. Wir können auch nicht beweisen, daß er oder sie nicht existiert. Niemand wird jemals aus dem alten Ägypten zu uns herreisen und uns erklären, daß wir recht oder unrecht haben, was die Reihenfolge der Pharaonen angeht. Jedes kleine Krümelchen neuen Wissens macht uns menschlicher, egal ob es nun deiner Definition einer Tatsache entspricht oder nicht.«
    Unwillkürlich umarmte ich sie. »Du fehlst mir, Cammy.«
    »Du mir auch.«
    Wir gingen eingehakt weiter und betrachteten die Sterne, die den Nil und die Wüste mitsamt ihren unendlichen Schätzen überspannte. Cammy erzählte mit verträumter Stimme: »Einer der Gründe, warum ich mich für die Ägyptologie entschieden habe, war das Gefühl von Verbundenheit, das mir diese Arbeit verschafft. Mir läuft ein Schauer über den Rücken, wenn ich mir vorstelle, daß vor viertausend Jahren höchstwahrscheinlich zwei Schwestern genau denselben Weg entlanggegangen sind und dabei die gleiche Liebe füreinander empfunden haben.«
    Meine Kehle wurde eng, und ich drückte im Weitergehen Cammys Arm, während sich unser Bild in den warmen Wassern des Nils spiegelte.
    So vergingen die Tage. Wir unterhielten uns ein wenig über Mimi, obwohl das nur sechs Monate nach ihrem Tod schmerzhaft war, vor allem für Cammy. Sie hatte zu der Zeit mitten in ihrer Dissertation gesteckt und nicht zur Beerdigung kommen können. Wir besichtigten die Sehenswürdigkeiten, entspannten uns und genossen die zusammen verbrachten Tage. Zu viele
    Jahre waren vergangen, seit wir miteinander die Zeit totgeschlagen hatten. Schließlich mußte Cammy weg; einen Tag vor meinem Geburtstag stieg sie in den heißen, staubigen Zug, der in die östliche Wüste fuhr. Wir umarmten uns kurz auf dem Bahnsteig, dann drückte sie mir ein kleines Päckchen in die Hand. »Alles Gute zum vierundzwanzigsten Geburtstag Chloe«, wünschte
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